Interviewter: Arne ; Ort: Leimen
Arne, wie hängt dein Leben mit Klimaschutz zusammen?
Also, ich habe 2006 mit meinem Physik-Studium angefangen und meine Diplomarbeit am Institut für Umweltphysik in Heidelberg abgeschlossen. Deswegen sind mir die Thema Klima und Nachhaltigkeit und die dahinterliegenden physikalischen Prozesse sehr nah – auf einer wissenschaftlichen Ebene wie auch auf der politischen Ebene. Denn seit ich in der Umgebung von Heidelberg lebe, war ich in politischen Gruppen aktiv. 2008 wurde ich Mitglied bei Robin Wood und ein Jahr später gründeten wir eine Klimaaktions-Gruppe, die es mittlerweile aber nicht mehr gibt. Da war ich bei Waldbesetzungen und Baumbesetzungen klettertechnisch an Blockaden beteiligt. Mit diesem wissenschaftlichen und politischen Hintergrund orientiere ich mich auch privat an den Zielen der Klimabewegung.
Was tust du selbst fürs Klima und seit wann?
Ganz klassisch besitze ich kein Auto, beziehe Ökostrom und wohne in einer großen WG, wodurch ich auch weniger Platz benötige. Ich trage überwiegend Second Hand oder Fair Trade Kleidung, wodurch ich meinen CO2-Fußbabdruck geringhalte. Allerdings reise ich gerne und dann ist das ein ziemlicher Witz, wenn man denkt „da fahr ich jetzt die Strecke aber mal extra mit dem Fahrrad“ und dann fliegt man einmal und dann ist das – quantitativ gesehen – sowieso egal. Zusätzlich habe ich mein Geld bei der GLS-Bank. Das sind alles Sachen, wo man mit wenig Aufwand doch viel bewirken kann. Ein stückweit Konsumkritik betreiben ist mir schon wichtig.
„Da wurde mir klar, dass ich mein Leben ein Stück weit integer führen will – sprich, dass ich es so gut wie möglich nach meinen ethischen Überzeugungen ausrichte.“
Warum hast Du Dich zu diesen einzelnen Schritten entschieden?
Ich hatte weder meine Eltern noch andere Vorbilder, denen Umweltthemen oder andere politische Themen besonders wichtig waren. Mit dem Umzug nach Heidelberg fand ich den Schritt zu linkspolitischen Organisationen wie ATTAC Campus, wo neben vielen anderen politischen Themen auch ökologische auf den Tisch kamen. Da wurde mir klar, dass ich mein Leben ein Stück weit integer führen will – sprich, dass ich es so gut wie möglich nach meinen ethischen Überzeugungen ausrichte. Wobei das gegen eine gewisse Faulheit geht, weil es in unserer Welt einfacher ist, sich nicht ökologisch zu verhalten. Außerdem bin seit 15 Jahren Vegetarier phasenweise auch vegan, wobei das oft an meiner Bequemlichkeit scheitert, da ich nicht gern koche.
„Da ist man schnell auf einer normativen Ebene: In welcher Welt möchte ich leben? Wie sollte ich mich verhalten?“
Wo nimmst du dein Warum her? Du hättest Dich auch „nur“ sozial engagieren können, woher kam der Umwelt-Aspekt?
Letztlich glaub ich, dass es zwei Einstiege ins Politische gibt. Einen über die persönliche und damit betroffene Ebene. Den anderen Einstieg erarbeitet man sich durch theoretische Zugänge und durch Empathie, indem man mit Menschen in Kontakt tritt, die davon betroffen sind. Den theoretischen Zugang hatte ich auch zu der hoch komplexen Klimadebatte. Dahinter steht ein wissenschaftlicher Diskurs – wie die IPCC-Reports – die systematisch aufbereiten, wie es um unsere Welt steht. Zwar sind Menschen in ihrem individuellen Leben vom Klimawandel betroffen, doch diese einzelnen Eindrücke systematisch zu sehen und die ganze Alarmbereitschaft, in die unsere Welt versetzt ist, ist ja eine durch die Wissenschaft vermittelte. Es ist selten aus einer betroffenen Perspektive heraus. Ähnlich ist es, wenn man anfängt sich mit politischen Themen zu beschäftigen. Da ist man schnell auf einer normativen Ebene: In welcher Welt möchte ich leben? Wie sollte ich mich verhalten?
Und zwar fernab davon, was mir gerade Spaß macht, sondern was moralisch richtig ist. Da öffnet sich schnell die Palette von Machtstrukturen in gesellschaftlichen Verhältnissen, aber auch von verantwortungsbewusstem Umgang mit Menschen, Natur, Tier und Umwelt. Und dazu gehören manchmal diese Klick-Momente, wie als ich den Dokumentarfilm „We feed the world“ schaute und merkte, mit welcher Lebensmittelverschwendung und welchem Tierleid unsere Nahrung weltweit produziert wird. Zusammen mit diesen Momenten hat sich eine grundlegende Überzeugung entwickelt, die mein Verhalten nachhaltig verändert hat.
Warum fühlen sich die einen verantwortlich und die anderen nicht? Du hättest Dich von dem politischen Feld was sich da aufgetan hat auch nicht berühren lassen müssen.
So zu denken, braucht psychologische Verdrängungsmechanismen. Der direktere Zugang wäre, dass man vor sich selbst ein guter Mensch sein will. Das der moralische Charakter, den man entwickelt, irgendwie einen Wert hat für die meisten Menschen. Ich schätze mal, es ist schon eine große Sache der Erziehung. Und ich glaube, wenn jemand einen Missstand sieht und sich bewusst entscheidet, das zu ignorieren, dann ist Verdrängung nötig.
Ich finde in der Welt, in der wir leben, werden viele dazu erzogen, Missstände zu ignorieren. Wenn sich die Menschen berühren lassen würden, dann hätten wir diese Missstände nicht, wir hätten diese Strukturen nicht.
Es sind zwei unterschiedliche Dinge. Zum einen find ich es spannend, dass Empathie und Moral nicht unbedingt übereinstimmen müssen. Ich finde Mitgefühl ist gar nicht der wichtige oder sinnvolle Zugang zu manchen Themen. Und das andere ist: Für mich macht es einen Unterschied, ob eine Person politisch ist oder nicht. Politisch sein bedeutet für mich, die Strukturen einer Situation und ihrer Veränderbarkeit zu begreifen. Letztendlich kann es verschiedene Reaktionen auf einen Missstand geben.
Das ist – denk ich – warum Marx Religion als Opium fürs Volk gesehen hat. Dass man sagt, „in Teilen der Welt verhungern Menschen und das will der liebe Gott aus dem und dem Grund“ sorgt für die Legitimation eines Missstandes, und damit entpolitisierst du ihn. Du siehst dann nicht die Welt als von Menschen erschaffen an, sondern du siehst eine Art Naturgesetz. Das ist beim Klimawandel eher weniger so als bei sozialen Missständen. Denn solange du siehst, dass der Klimawandel menschengemacht ist, dann liegt es auch auf der Hand, das Menschen ihn ändern können. Bei vielen Missständen ist es nur so, dass wir erst mal die Gesellschaft akzeptieren, in die wir hineingeboren werden, solange wir kritisches reflektieren nicht früh erlernen. Deswegen ist für mich der große Unterschied, ob Menschen politisch sind oder nicht und nicht, ob sie gut oder böse sind.
„Ich würde schon sagen, dass wir da Vorbildcharakter hatten, auch bei Arbeitskolleg*innen und im Freundeskreis.“
Gab es Hürden als du angefangen hast dich klimafreundlicher zu verhalten?
Ja, aus meiner Überzeugung heraus, die mich dazu gebracht hat, Vegetarier zu werden, müsste ich konsequent zu Ende gedacht eigentlich Veganer sein. Das ist ein Beispiel für den Spalt zwischen Bequemlichkeit und meinen Überzeugungen. Ich werde jetzt wieder so strukturell, aber ein anderer Zwiespalt ist der, dass für die Teilnahme an dieser Gesellschaft ein gewisser Lebensstandard vorausgesetzt ist. Viele Güter wie Handys mit ihren seltenen Erden sind extrem ressourcenverschwendend, aber stückweit eine Voraussetzung für ein halbwegs gutes Leben in Deutschland bzw. für mein soziales Gefüge. Reiselust ist auch eine Hürde, um den CO2-Fußbadruck runterzubekommen.
Was sagt denn dein Umfeld zu deinem Lebensstil?
Ich komme zwar aus einer sehr unpolitischen Familie, aber mein Bruder und ich sind stark politisiert und das hat sich über die letzten Jahre auch auf unsere Familie übertragen. Mittlerweile haben meine Eltern einen gewissen Anspruch an eine ökologische Lebensweise übernommen. Sie kaufen überwiegend bio, verpackungsfrei, essen auch wenig bis kein Fleisch. Ich würde schon sagen, dass wir da Vorbildcharakter hatten, auch bei Arbeitskolleg*innen und im Freundeskreis.
Welche Tipps würdest Du für den Einstieg in ein klimafreundliches Leben geben?
Sich mal umzusehen, welche Strukturen man nutzt und wie diese durch fast aufwandsfreie Alternativen ersetzt werden können. Sprich, es ist nur ein bis zwei Stunden Aufwand, den Stromanbieter zu wechseln oder das Bankkonto zu wechseln. Das wäre auf der Konsumebene möglich. Für mich persönlicher ist es wichtiger, auf politischer Ebene was zu ändern. Am coolsten wäre es, sich zu organisieren, wie die vielen Initiativen for futures die gerade aus dem Boden geschossen kamen. Ich würde nicht sagen, dass das der einfachste Einstieg ist, aber es ist letztendlich das Effektivste und Coolste, um mitzumischen.
„Es muss präsent im Alltag sein und ist es vor allem wenn Menschen sich organisieren und es zum Thema machen.“
So ein bisschen politische Praxis zu üben, wenn man sich organisiert und mit den Gruppen darüber redet. Sich über Demos informiert, vielleicht mal hingeht, mal ein Banner malt oder einen Redebeitrag hält, um sich in ein spezielles Thema einzuarbeiten. Ein Verständnis dafür zu haben, dass es wirklich strukturelle Veränderung in unserer Welt braucht, wenn wir Ziele einhalten wollen. Das man sich überlegt, wie kann ich das pushen, das auch politische Entscheidungsträger*innen merken, in der Bevölkerung ist der Wunsch und Drang nach Veränderung da.
Doch auch wenn der Absatzmarkt von Bioprodukten jetzt höher ist, dann ist nicht gesagt, dass dafür die Forschung in Energiespeicher erhöht wird oder Kohlkraftwerke mal eben früher abgeschafft werden. Sondern Gruppen wie Ende Gelände, die zu Tausenden in Kohlekraftgruben gegangen sind, erzeugen immer wieder mediale Aufmerksamkeit. So quatschen nun Leute auch in kleineren Zusammenhängen am Küchentisch drüber. Es muss präsent im Alltag sein und ist es vor allem wenn Menschen sich organisieren und es zum Thema machen.
Wie kann Aktivismus die Welt verändern? Lies dazu auch unseren Beitrag aus dem Vormonat: Klimaaktivismus – wie sieht der genau aus?
Wenn du Dir etwas für den lokalen Klimaschutz wünschen könntest, was wäre es?
Bildungsangebote und Diskussionskreise schaffen, u.a. über die Arbeitsweise verschiedener Großunternehmen, die auf Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung basieren. In Leimen würde es sich anbieten über HeidelbergCement zu sprechen. Mir ist aber bewusst, dass die Menschen einen persönlicheren Bezug oder Anlass brauchen, um in das Thema einzusteigen. So bewirken an Schulen, Projekttage über den Klimawandel, dass Schüler*innen motiviert werden und zu Hause erzählen, wieso es nun einen vegetarischen Tag gibt. Solche kleinen Initiativen müssten gestartet werden, um zu schauen ob daraus eine Diskussion entspringt.
Stell dir vor es gäbe keinen politischen Apparat, sondern nur eine Klimafee, was würdest du dir wünschen?
Das der Kapitalismus abgeschafft wird. Also das eine Art und Weise des Wirtschaftens abgeschafft wird, die sich auf den Profit und schnellen Konsum konzentriert, statt auf die langfristigen Bedürfnisse des Menschen und der Natur. Leider wird sehr viel darauf ausgerichtet, nicht nur bei dem, was wir konsumieren, sondern auch in unseren Beziehungen, in unserem Verhalten zueinander. Das soll sich ändern. Denn ich denke, dass wenn Menschen solidarisch miteinander sind und sich aus dem Willen, eine lebenswertere Welt zu schaffen, zusammentun, könnten viele Probleme gelöst werden.
„Denn ich denke, dass wenn Menschen solidarisch miteinander sind und sich aus dem Willen, eine lebenswertere Welt zu schaffen, zusammentun, könnten viele Probleme gelöst werden.“
- Auf Forschungsreise von Arne, privat
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