Was haben das Klima und alte Laptops miteinander zu tun? In diesem Bericht geht es um den Verein Computertruhe im Rhein-Neckar-Gebiet, der gebrauchte Rechner und Laptops sammelt, repariert und gemeinnützig weitervergibt. Dabei geht es um einiges: die Schonung von Ressourcen, Wissenstransfer und soziale Gerechtigkeit.
Ich treffe mich mit Valentin mittags im Welthaus in Heidelberg. Er setzt sich seit Langem für diverse Projekte rund um Recycling und Müllreduzierung ein. Seit diesem Jahr engagiert er sich im gemeinnützigen Verein Computertruhe, über den ich heute gerne mehr erfahren möchte.
Valentin ist eher ruhig, er wiegt die Worte ab, bevor ich sie zu hören bekomme. Seine Liste an Dingen, die er für das Klima tut, ist nicht nur lang, sondern vieles ist aufeinander abgestimmt. Man merkt, wie lange er sich schon mit Fragen nach einer klimagerechten Art zu leben beschäftigt. Neben nachhaltigen Konsum wie Foodsharing sind es die kleinen Sachen, wie dass er immer eine Jutetasche bei sich trägt und eine für andere. Als er mir sagt, er versucht „Technik stromlos zu machen“, muss ich dann aber schon noch mal nachfragen, was das ist.
„Na ja jedes technische Gerät, das einen Stecker hat, verbraucht Strom, wenn es ausgeschaltet ist. Da kann man einfach eine Steckdosenleiste kaufen, wo man dann ein- und ausschalten kann und das wirklich vom Strom getrennt ist. So wird nicht ständig in meiner Abwesenheit Strom verbraucht. Ich habe das vor Langem mal für einen normalen Desktop-Computer ausgerechnet. Der verbraucht innerhalb eines Jahres, wenn der aus ist, so ungefähr 14 Euro. Möglicherweise sind die Netzteile der Computer heute effizienter und stromsparender. Aber das ist nur wenn der ausgeschaltet ist und am Stecker; nicht im Stand-by-Modus. Und dann gibt es sehr viele Leute, die fahren die Rechner erst gar nicht runter. Die fahren nur in Stand-by-Modus und da verbraucht man noch viel mehr Energie.“
Er erzählt weiter, dass dies nicht nur Konsequenzen für unseren direkten Energieverbrauch hat, sondern auch langfristig unseren Rechnern schadet. Denn es gibt noch den negativen Effekt, dass die Geräte dann Updates nicht korrekt installieren können. Damit entstehen langfristig auch Probleme an den Geräten. Heftig ist, dass Menschen sich bei diesen Computerproblemen oft direkt ein neues Gerät anschaffen.
Ich schildere Valentin, dass wir erst vor Kurzem eine Mail an das Repair Café Heidelberg mit diesem Fall bekamen. Die Person teilte uns mit, dass sie ein Update-Problem hatte. Bei ihrer Nachfrage im Laden wurde ihr einfach ein neues Gerät empfohlen. Das eigentliche Gerät war erst zwei Jahre alt und das Software-Problem schnell von einem unsere Reparateure gelöst.
Was ist ein Repair Café? Im Repair Café werden defekte Gegenstände des alltäglichen Bedarfs unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ gemeinsam repariert. Über die Reparatur von Elektrokleingeräten bis zu Textilreparaturen begegnen sich Menschen im Repair Café in nachbarschaftlicher Atmosphäre. Sie tragen zu einer verlängerten Lebensdauer von Alltagsgegenständen bei und reduzieren damit ihren Müll und schonen bewusst Umweltressourcen.
Wer steckt hinter dem Verein Computertruhe Rhein-Neckar
Diese Software-Probleme sind Szenen, die er noch aus seinem ersten Beruf als Informatiker kennt. Heute macht er Bildungsarbeit zu Themen wie Abfalltrennung und Nachhaltigkeit. Hauptsächlich in Kindergärten und Schulen.
Was hat sich seitdem für ihn verändert? „Wahrscheinlich der bewusstere Umgang mit Ressourcen, mit den Dingen, mit denen wir uns so täglich umgeben und wie lang etwas lebt. Auch andere darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig das ist oder sich darüber zu unterhalten. Vielleicht hat es damals auch den Grundstein für meinen heutigen Beruf gelegt, weil damals war ich ja noch Informatiker und heute bin ich Abfallberater.“
Bei dem jährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs lernte er dann den Verein Computertruhe mit Sitz in der Nähe von Freiburg kennen. Gemeinsam haben Sie dann eine Session zum Thema Verwendung alter Hardware beim Barcamp Rhein-Neckar gemacht und den Verein vorgestellt. Aus dem Wunsch, dies auch in die Rhein-Neckar-Region zu bringen, entstand dann ein Ableger des Vereins auch in Rhein-Neckar im April 2021. „Der Wunsch entstand auch wieder von meinem alten Beruf. Die IT-Abteilung, wo ich war, hatten eben nach vier-fünf Jahren die Rechner ersetzt, um immer einen gewissen Stand an Rechnern zu haben. Damit liefen sie nicht in Probleme, dass die Rechner veralten und bestimmte Updates nicht mehr laufen. Und die Garantie läuft auch eben aus.“
Der Ablauf bei den Firmen ähnelt ungefähr diesem Prozess: Die Festplatten werden entfernt und meistens zerstört. Dann wird eine spezialisierte Recyclingfirma beauftragt, die Geräte abzuholen. Einiges wird sicher weiterverwendet, nur eben nicht alles. Und die Firmen zahlen derweil Geld für die Entsorgung von guten Rechnern.
„Aber jetzt kommen wir zum Kern der Computertruhe. Warum sollen nicht Menschen, die wenig Geld haben oder gemeinnützige Initiativen davon profitieren? Denn meistens sind es hochwertige Geräte und noch viele lange Jahre benutzbar. Und aus dieser Idee fand ich den Verein Computertruhe sehr ansprechend und habe gefragt, was denn nötig ist, dass es auch im Rhein-Neckar-Kreis möglich ist. Damals gab es noch einen Ableger in Berlin. Die haben gesagt, es müssen mindestens drei Leute sein, die dabei sind und Mitglied werden und dann könnten wir auch deren Infrastruktur nutzen.“
Gerade sind vier Personen im Rhein-Neckar-Kreis organisiert und auch die Rechner kommen aus dem Gebiet. Es bietet sich auch an, weil viele Firmen hier angesiedelt sind. Auch Privatpersonen spenden Geräte, für die sie keinen Nutzen mehr haben. Wichtig ist, dass die Geräte nicht zu alt sind. Die Grenze liegt bei ungefähr 8 Jahren.
Generell kommen da Bedenken um Datenschutz und Co. auf. Eine Lösung ist, die Festplatte zu entfernen und separat zu entsorgen. Oder der Verein übernimmt die Löschung der Festplatte und gibt eine schriftliche Bestätigung. Wenn dann eine Neue eingebaut werden muss, wird diese aus anderen Rechnern ausgebaut und benutzt. Die Kommunikation läuft dabei intern im Verein ab und jede*r schaut nach, ob sich nicht noch was Passendes finden lässt.
Technik auf Augenhöhe
Projekte haben sich auch schnell gefunden. Das Mehrgenerationenhaus Heidelberg wird den ersten inklusiven Co-Working-Space in der Rhein-Neckar-Region aufbauen. Dafür braucht es eine passende Infrastruktur und Zugänge zu Rechnern. Über die Computertruhe Rhein-Neckar wurden dann vier hochwertige Rechner ehemals aus Stuttgart, aufbereitet und installiert. Nun stehen diese Rechner dort frei zur Verfügung.
Wie werden denn die Rechner verteilt? „Also der Verein kann eben Computer aus steuerrechtlichen Gründen nur an Leute weitergeben, die sehr wenig Geld haben und das auch nachweisen können. Z. B. mit einem Asylbescheid, Bezieher von Hartz IV oder eben gemeinnützige Organisationen, die einen Freistellungsbescheid haben. Es liegt dann in deren Verantwortung, die dann entweder für den Verein zu verwenden oder weiterzugeben. Und so ist es dann auch möglich, dass z. B. ein Schulförderverein, wenn er gemeinnützig ist, Rechner bekommt für Schüler und Schülerinnen, die keinen haben. Es soll immer noch Menschen geben, die zu Hause keine Laptops, Computer haben.“
Dieser prekären Situation konnte man sich während der Pandemie bewusst werden. In vielen Familien hat zwar jede*r ein Smartphone aber eben keinen Computer. Wenn die Eltern dann im Homeoffice arbeiten sollen und die Kinder digitalen Unterricht erhalten, wie soll ein gutes Arbeits- und Lernumfeld möglich sein? Solche Probleme sind dem Verein leider bekannt und sie versuchen dem entgegenzuwirken.
Die Arbeit der Computertruhe erfasst damit nicht nur Aspekte von Ressourcenschonung und Energieersparnissen, sondern zeigt auch, das soziale Gerechtigkeit ein wesentlicher Teil von ihr ist. Eine digitale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wurde in Pandemie-Zeiten sehr wichtig. Es sorgte dafür, dass Menschen sich austauschen konnten, ohne direkten Kontakt zu haben. Auch der Erwerb von Informationen wird damit erleichtert, wenn da auch noch mehr getan werden könnte, sagt Valentin.
„Was bei der Computertruhe noch fehlt, wäre eine Betreuung oder eine Schulung für die Leute, die die Geräte erhalten. Weil der Computertruhe e. V. empfängt Hardware, bereitet sie auf, macht sie flott und gibt sie weiter. Und im Prinzip endet da die ehrenamtliche Arbeit. Vielleicht entwickelt sich daraus noch ein weiterer Verein, der den anderen Part übernimmt.“
Schon mal vom digitalen Führerschein gehört? Das Mehrgenerationenhaus Heidelberg, an das auch schon Laptops über die Computertruhe Rhein-Neckar für den neuen Co-Working-Space vergeben wurden, bietet auch einen digitalen Führerschein für SeniorInnen an.
Auch nach der klimawandelbedingten Flutkatastrophe in Ahrweiler, haben viele Menschen fast alles verloren. Darunter auch ihre Smartphones und Rechner, die wichtige Kommunikationsmittel sind. Dort engagiert sich auch die Computertruhe und repariert die verbliebenen Gegenstände oder besorgt neue.
Für Menschen, die sich nun fragen, ob sie die Arbeit unterstützen können, hat Valentin eine ganze Menge an Aufgaben parat. Gleichzeitig zeigt es auch, wie viel Arbeit doch hinter so einem Verein steckt.
„Es gibt viel Aufgaben, die man machen kann. Hilfreich sind schon Leute mit ein wenig Technikverständnis, die mal einen Laptop gesäubert haben oder auch gern mit mehr Verständnis. Vielleicht Leute, die auch schon mal einen Computer installiert haben. Sinnvoll sind auch Menschen, die gerne schreiben. Die ab und zu mal eine Pressemitteilung verfassen oder Flyer gestalten. Wer weiß, wenn wir groß wachsen, brauchen wir vielleicht mal Leute, die einen Infostand machen. Ein Netzwerk aufbauen. Ich denke, die Aufgaben sind vielfältig, wenn sich jemand engagieren möchte. Sie sind nicht nur auf die Technik (Hardware) begrenzt. Wir brauchen immer, wen der Firmen anfragt, Rechner abholt und Kontakt hält.“
Eine Prise ‘Star Trek’ in den Klimaschutz tun
Als die Frage aufkommt, wie er seinen Beitrag zum Klimaschutz bewertet, dann möchte er nicht über den „Mikrotropfen“ seines Engagements nachdenken. Sondern er will als Vorbild und Inspiration für andere dienen, so wie es wiederum andere für ihn sind. „Es gibt so viele Netzwerktreffen mit verschiedenen Themen im Bereich Umwelt und nur dort, wo ich als Person bin und mich einbringe, dort finden auch meine Themen statt. Es in andere Köpfe pflanzen und daraus kann was wachsen.“
Das betrifft auch seine Umgebung. Die Computertruhe Rhein-Neckar möchte eben in diesem Gebiet auch Angebote schaffen und Ressourcen umnutzen. Daraus lassen sich auch Wünsche für den Klimaschutz im Rhein-Neckar-Gebiet ableiten: „Ich wünsche mir, dass die Städte mehr zusammenarbeiten und die Vereine sich mehr verbinden. Je mehr sie gemeinsam tun, desto mehr können sie auch bewegen. Es ist leider vieles konzertiert auf die einzelnen Städte und nicht in ‘Rhein-Neckar’ gedacht wird. Ich habe selbst zehn Jahre in Leimen gewohnt und es ist erstaunlich, wie wenig ich noch von dort mitbekomme.“
Damit kommen wir auch schon zur letzten Frage mit der berüchtigten Klima-Fee. Wenn es eine Klimafee gäbe, was würdest du dir von ihr wünschen?“
„Das in der Politik Klima an erster Stelle bei allen Entscheidungen steht. Die Klimafee könnte sich ein Beispiel an Star Trek nehmen. Star Trek spielt in einer Zeit, wo es keine Staaten, sondern eine Konföderation gibt. Die basiert nicht auf Geld, sondern um das Wissen und Erforschen des Erhalts des Lebens. Das würde ich mir für unsere Gesellschaft auch wünschen.“
Dem kann ich nur zustimmen.
Vielen Dank, dass du unseren Bericht gelesen hast. Gib doch gerne Infos über die Computertruhe Rhein-Neckar an Freund*innen und Bekannte weiter. Vielleicht findet sich da ja noch ein Laptop im Keller oder auch jemand, der*die sich engagieren möchte. Wenn du Valentins Sicht der Dinge zur Computertruhe lesen möchtest, findest du die auch auf seinem Blog hier.
Kennst du Klimaheld*innen-Projekte im Rhein-Neckar-Kreis, über die wir mal berichten sollten? Lass uns gerne ein Kommentar da oder schreib mir eine Mail an isabel.kronauer[at]oekostadt.org