Das ist unser zweiter Bericht zur Mobilitätswende in Wiesloch. Im November erzählte ich euch von Manfred Stindl, der in Wiesloch lebt und dort u. a. als Vorstand im Verkehrsclub Deutschland (VCD) aktiv ist. Mit ihm sprach ich darüber, was sich in puncto Mobilität in den letzten Jahrzehnten in Wiesloch verändert hat.
Der zweite Teil, widmet sich einzelnen Mobilitätsprojekten in Wiesloch. Getreu unserem Motto “Gute Klimanachrichten” möchte ich euch zeigen, welche Geschichten hinter den noch so kleinsten Verkehrsprojekten stecken. Es geht dabei ums große Ganze und um Details, die uns den Alltag erleichtern. Tipps für den Umstieg aufs Rad gibt es übrigens im ersten Beitrag vom November. Nun geht es um die Straßen, auf denen wir mit dem Rad fahren und wie wir uns um sie kümmern können.
Nach unserer Unterhaltung begeben wir uns auf eine Fahrradtour durch Wiesloch. Ich habe Manfred gebeten, mir Projekte zu zeigen, die den Verkehr nachhaltig verändern. Im alltäglichen Stadtverkehr werden diese Sachen einem nicht bewusst, aber sie können die eigene Mobilität erheblich verbessern.
Eine unscheinbare Ecke?
Und schon geht es los. Wir beginnen an einer unscheinbaren Ecke in einer Nebenstraße, die von Kindern auf dem Schulweg gerne genutzt wird. Begegnen sich hier zwei Autos, wird es nicht nur schnell eng, sondern auch die Distanz zum Bordstein wird falsch eingeschätzt.
So wurde der Gehweg oft mitbenutzt. Um Fußgänger*innen und kleine Menschen zu schützen, wurde der Pfeiler als Lösung installiert. Inzwischen heißt es für den Gegenverkehr warten, bevor es weitergeht. Das spart Nerven und böse Überraschungen.
Danach geht es direkt auf den Schulhof der Merianschule. Hier denkt man in puncto Mobilität auch an unsere kleinen Menschen. Da stehen Ständer, die aber nicht für Fahrräder sind. Diese Ständer sind für Tretroller, die mittlerweile wieder stark in Mode sind – oder immer waren? Früher lagen die kreuz und quer auf dem Schulhof oder im Flur und das Chaos war vorprogrammiert. Letztes Jahr wurden sie feierlich eingeweiht und werden seitdem gerne genutzt.
Wir fahren weiter. Bei der nächsten Station wird einem bewusst, wie wichtig es ist, soziales und kulturelles Verhalten in der Verkehrspolitik zu beachten. Die Straße ist schmal und wird von Radfahrer*innen viel genutzt. Außerdem trennt der Straßenabschnitt ein Gartencenter mit Parkplatz vom gegenüberliegenden Friedhof. So laufen viele Fußgänger*innen über die Straße, um Blumen zu holen und zum Friedhof zurückzugehen. Was macht man aber bei so viel Verkehr und so wenig Platz? Die Lösung ist nicht ideal, aber sie tut ihren Zweck, in dem sie auf alle Verkehrsteilnehmer*innen aufmerksam macht. Das installierte Schild warnt Autofahrer*innen, dass Menschen die Straße kreuzen. Eine errichtete Verkehrsinsel sorgt dafür, dass Fußgänger*innen nicht auf einmal die Straße überqueren müssen. Und die gestrichelte Linie für Fahrradfahrer*innen macht deutlich, auch wir fahren hier.
Was ist schöner als mit dem Rad ins Grüne zu fahren
So geht es weiter entlang am Leimbach, der sich durch Süden des Rhein-Neckar-Kreises schlängelt.
Auch hier werden nach und nach die Fahrradwege ausgebaut, das Gebiet attraktiver zum Ausruhen und Entspannen gemacht. Es fühlt sich sehr angenehm an, hier entlangzufahren. Kein Verkehrslärm, stattdessen sattes Grün. Ich habe mittlerweile jegliche Orientierung verloren, während mir Manfred über jeden noch so kleinen Fleck was erzählen könnte und es erfreulicherweise auch tut.
Auf dem Rad sind autofreie Routen immer noch die Besten. Dieser Gedanke kommt in mir auf, als es auf einen Kreisel zugeht. Denn der Fahrradweg führt ziemlich direkt auf die befahrene Straße und in dem Moment möchte man nur die Sicherheit haben, dass die Autofahrer*innen hinter einem das auch bemerken.
Deshalb wurde hier eine „Bischofsmütze“ installiert – eine orange Leitschwelle mit Sichtzeichen-, die die Einmündung des Fahrradwegs kennzeichnet. Zufrieden ist Manfred damit aber nicht. Zu oft ist das schon von unachtsamem Autofahrer*innen umgefahren worden. Ein Betonpfeiler wäre ihm lieber. Nur von der Stadt kam die Absage u.a. mit der Begründung, dass es nicht lange dauern würde, bis das erste Auto hinüber ist. Aber wenn es nicht der Betonpfeiler ist, ist es vielleicht ein Mensch auf dem Rad…
Bahnsteige, Busstation … Fahrradparkhaus? Willkommen im modernen Bahnhof
Mich erwartet nun ein kleines Fahrrad-Parkhaus am S-Bahnhof von Wiesloch/Walldorf. Sechs Euro kostet ein Stellplatz im Monat, überdacht und diebstahlsicher. So kann man auch sein Rad mehrere Tage stehen lassen, wenn es mit dem Zug für längere Zeit woanders hingeht. Der Bahnhof ist ebenfalls ansehnlich gestaltet.
Gut, es gibt ein bisschen Taubendreck an blöden Stellen und leider wurde die Wegverbindung für Fahrrad- und Rollstuhlfahrer*innen nicht zu Ende gedacht. Eigentlich sollte es eine barrierearme Möglichkeit geben, schnell von der einen Seite auf die andere zu gelangen. Dafür hat man auf der Seite von Walldorf eine Rampe gebaut, die unter den Gleisen hindurch nach Wiesloch führt. Ärgerlicherweise erwartet einen auf der Seite von Wiesloch eine Treppe. Die Bahn hat noch dazu ein Schild montiert, das diesen Durchgang als rollstuhlgerecht angibt.
Aber Manfred hat sich mit anderen dafür durchgesetzt, dass darunter ein Schild mit einem durchgestrichenen Rollstuhlfahrer angebracht wird, um den Menschen den ersten Frust zu ersparen. Als Alternative bleibt nur der große Umweg über die Aufzüge und wenn die mal nicht funktionieren, wird es kompliziert.
Dass die Bahnstation aber auf einen neueren Stand gebracht wurde, hat man auch der solidarischen Zusammenarbeit von Walldorf und Wiesloch zu verdanken. Die Konzepte zu Bus, Bahn und Rad sind aufeinander abgestimmt. Der vorher schwer auffindbare Busbahnhof befindet sich nun auf dem Parkhaus und ist benutzerfreundlicher gestaltet. Mit der Treppe oder dem Aufzug lassen sich Bus und Bahn schnell erreichen. Und für Fahrradfahrer*innen gibt es eine kleine Reparatur-Station und mehr überdachte Stellfläche. Überhaupt ist der Bahnhof deutlich einladender als vorher und das nehmen viele Menschen auch so wahr.
Zurück zu den Wurzeln – und zwar wörtlich gemeint
Nun geht es noch mal am Rand der Altstadt vorbei und wir landen auf der Ringstraße, auf der ich mit dem Bus angekommen bin. Auch hier wurde ein Fußgängerüberweg eingebaut, da die Untergrundtreppen sehr umständlich zu benutzen sind.
Die Straße geht in die Ringstraße über. Am Anfang des ersten Beitrags hatte ich erzählt, wie gedrängt es hier mit dem Autoverkehr und schmalen Gehwegen zu geht. Um mal den Unterschied zu demonstrieren, hatte der VCD unter dem Motto “Eine Verbindung blüht auf” 150 Meter mit sechzig Kübelpflanzen begrünt. Manfred erzählt mir: „Mit Unterstützung der Stadt haben wir an einem Samstag Stellplätze weggenommen und begrünt. Es gab Leihpflanzen vom örtlichen Pflanzenmarkt umsonst, die wir mit dem Hänger transportierten. Am Ende sah das aus wie ein Wald. Der Charakter so einer Straße ändert sich komplett. Dabei haben wir keinen Verkehr herausgenommen.“ Oft gibt es die Behauptung, dass in den viel befahrenen Straßen sich wenig tun lässt. Aber die Aktion zeigte, dass durch den Wegfall der parkenden Autos die gesamte Straße ansehnlicher und angenehmer zu nutzen wurde. „Wir haben viel Lob bekommen. Die Aktion wird immer noch zitiert, so erfolgreich war die.“
Einfach ist das alles nicht. Beim Parking Day müssen die Stellplätze nach und nach freigekämpft werden. Oder man wird beschimpft, weil Menschen sich durch ein neues Verkehrsobjekt, in ihrer Routine gestört fühlen. Und auch Menschen auf dem Rad können mal hitzig werden. Doch im Großen und Ganzen helfen diese Projekte zu zeigen, wie es anders geht und finden Menschen, die sie gerne unterstützen. Am Ende unseres Gesprächs wünscht sich Manfred, dass wir uns mehr der Konsequenzen unseres eigenen Handelns bewusst werden. Nicht in Form eines katastrophalen Klimawandels, sondern durch radikalere politische Rahmenbedingungen, die sozial ausgeglichen sind.
Es bleibt mir nur noch zu sagen: Vielen Dank an dich Manfred und vielen Dank an alle Menschen, die sich für eine klimagerechte Verkehrspolitik einsetzen.
Auf der Suche nach mehr Inspiration? Auf move21 könnt ihr weiter stöbern. Dort findet ihr Informationen und Ansprechpartner*innen für Projekte in Wiesloch, die sich wunderbar auch auf andere Städte anpassen lassen!