Interviewte: Jadga Hügle; Ort: Leimen
Jadga, was genau tust Du fürs Klima?
Ich versuche wenig zu heizen und wenig Energie zu verbrauchen. Ich habe kein Auto und mache alles mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad. Außerdem esse ich überwiegend vegetarisch und backe vegan, d.h. auch in diesem Privatkonsumbereich habe ich versucht, was zu ändern und das war wirklich eine Offenbarung. Grundsätzlich versuche ich Fleisch- und tierischen Konsum einzuschränken, vor allem aus ökologischen Gründen wie dem Flächenverbrauch und Futtermittelanbau. Aktiv bin ich beim NABU Heidelberg dabei. Mein größter und liebster Klimabeitrag ist der Umweltbildungsbereich, hier mache ich relativ viel. Bei einer Schülerakademie im Sommer habe ich 3-4 Mal einen zweiwöchigen Ferienkurs mitgemacht, wo es um Biodiversität und Klimawandel ging. Das hat megaviel Spaß gemacht! An sich finde ich Schülerakademien aus Gründen der Eliteförderung problematisch, denn sie kosten viel Geld. Trotzdem finde ich cool, dass die Nachhaltigkeitsakademie jeden Sommer eine Schülerakademie anbietet, die sich mit verschiedenen Themen rund um den Klimawandel beschäftigt.
Was ist Deine Motivation Dich klimafreundlich zu verhalten?
Bei mir sind es zwei Sachen: Gerechtigkeit und Begeisterung für die Umwelt. Klimagerechtigkeit ist mir super wichtig, weil ich der Meinung bin, dass ich Glück hatte. Glück hier geboren zu werden, einen deutschen Pass zu bekommen und auch dass meine Eltern in einer guten Situation waren. Bei anderen Menschen ist das nicht so und unser Lebenswandel trägt dazu bei, dass sich die Situation für andere Leute noch verschlechtert, was ich nicht möchte.
„Meine Motivation ist Gerechtigkeit und Begeisterung für die Umwelt“
Durch das Biologiestudium habe ich gelernt zu sehen, wie beeindruckend und wunderschön unsere Natur ist. Was sich die Natur alles überlegt hat, wie Tiere miteinander interagieren, wie unterschiedlich Pflanzen und Tiere aussehen, ich bin davon so begeistert!!! Ich möchte auf keinen Fall, dass dies kaputtgeht.
Durch was ist bei Dir das Thema Klimagerechtigkeit so wichtig geworden?
Bei der Nachhaltigkeitsakademie gab es einen Kurs zu Postkolonialismus und zu verschiedenen sozial- und geisteswissenschaftlichen Klimathemen. Da ist mir erst aufgefallen, wie krass ich vorher in dieser naturwissenschaftlich-technischen Ecke bei dieser Debatte drin war. Das hat mir die Augen geöffnet. Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Leuten aus anderen Feldern, die sich überwiegend damit beschäftigen.
Würdest Du sagen es gibt Hürden, die mit einem klimafreundlichen Leben einhergehen?
Bei mir selbst beobachte ich manchmal psychologische Rebound-Effekte. Hier habe ich ökologisch was eingespart, dann kann es dort wieder ausgegeben werden. Das ist meine persönliche Baustelle.
Zudem ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandelpolitik ein extrem frustrierendes Feld und gerade die Erfahrung mit dem Pariser Klimaschutzabkommen war für mich eine der frustrierendsten Sachen, die ich erlebt habe. Ich habe danach ein halbes Jahr lang nichts mehr mit Umweltpolitik-Engagement gemacht. Meine Mitbewohnerin und ich haben 2019 die Demo “Klimagerechtigkeit Jetzt!” mitorganisiert und ich war in der Bildungspolitik beim NABU aktiv.
„Jedes Mal denk ich mir, warum kann das was politisch gesagt wird nicht auch umgesetzt werden? Warum wird nicht gehandelt?“
Ich war sehr gehypt nachdem das Abkommen verabschiedet wurde, ich dachte, jetzt können wir es noch hinkriegen. Wenn ich dann aber sehe, dass Deutschland seitdem kontinuierlich seine Ziele nicht erreicht, das frustriert mich sehr. Denn wir könnten es bezahlen und demensprechend auch umsetzen, da ist meine Erwartungshaltung schon eine andere als an andere Nationen und es passiert einfach nichts. Jedes Mal denk ich mir, warum kann das, was politisch gesagt wird, nicht auch umgesetzt werden? Warum wird nicht gehandelt?
Die Umweltpsychologie ist ein spannender Punkt: Wie bekommen wir Menschen dazu, sich klimafreundlicher zu verhalten?
Es gibt coole Ideen von Künstler:innen, die Nudging-Projekte ins Leben gerufen haben, wobei man versucht, Leute kreativ auf ein erwünschtes Verhalten aufmerksam zu machen oder bestimmte Informationen zu streuen. Oft hängen in öffentlichen Gebäuden Schilder mit „Licht aus“ oder „Tür/Fenster zu“. Normalerweise geht man da aber jeden Tag dran vorbei und übersieht es.
„Nudging versucht durch kreative Ideen, Menschen zu Dingen zu bewegen oder bestimmte Informationen zu streuen“
Was ich selbst schon erlebt habe, sind lustige Botschaften auf Toilettenhaltern. Wobei ich – zumindest in Deutschland – nicht das Problem bei der Awareness sehe, sondern eher bei der konkreten Umsetzung.
Das Umweltbundesamt bringt regelmäßig eine Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen und ihrem tatsächlichen Umweltverhalten raus. Hierbei zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen Einstellung und tatsächlichem Konsum-Verhalten. Sprich, die Mehrheit der Konsument:innen ist nicht bereit auf tierische und/oder konventionell hergestellte Lebensmittel zu verzichten.
Ja, es gibt auch Sachen, da lassen sich Leute nicht reinreden, z.B. beim Fliegen. Klar, wenn man in die USA möchte, dann ist Fliegen okay. Aber bei der SAP ist es normal, dass Menschen ihre Geschäftsreisen von Berlin nach Frankfurt fliegen, das find ich nicht in Ordnung. Ich würde mir wünschen, dass gerade Unternehmen das anders fördern. Sie sollten dazu verpflichtet werden, nicht das günstigste Verkehrsmittel zu bevorzugen. Denn das ist oftmals das Flugzeug. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen bereit sind Abenteuer zu erleben. Mein Mitbewohner und ich sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Irland gefahren und das hat mordsmäßig Spaß gemacht! Einen Zwischenstopp in London, einen Crêpe essen in Paris und in Glasgow noch ein paar Bier trinken. Ich glaube vielen ist nicht klar, wie viel Spaß es machen kann Unwegsamkeiten in Kauf zu nehmen.
„Einen Zwischenstopp in London, einen Crêpe essen in Paris und in Glasgow noch ein paar Bier trinken. Ich glaube vielen ist nicht klar, wie viel Spaß es machen kann Unwegsamkeiten in Kauf zu nehmen“
Ich verstehe, dass Leute, die ihre vier Kinder dabeihaben, das nicht machen. Auch Flixbus ist nicht teuer und bei frühzeitiger Buchung auch die Bahn nicht.
Was denkst Du ist grundsätzlich der beste Weg andere Menschen an ein klimafreundliches Leben heranzuführen?
Eine Mischung aus Aufklärung und Nudging ist gut. Irgendwas wo man Leute subtil dazu bringt, mal was anderes auszuprobieren, ohne dass es belehrend rüberkommt. Viele Leute wissen einfach nicht, dass es z.B. einen Unterschied zwischen Mehrweg- und Einwegpfand gibt. Deshalb berücksichtigen sie es beim Einkauf nicht. Vieles anbieten und erzählen, wie man es selbst so handhabt, ich denke das hilft. Manche Themen auch mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen bereden und die auch zusammenbringen, um ihre Sicht auf das Thema darzustellen.
„Ich bin schon gewillt zu glauben, dass viele Leute bestimmte Dinge nicht tun, weil sie es nicht wissen. Wenn es anders ist, dann wär‘s blöd. Ich hoffe, dass sie es nicht machen, weil sie es nicht besser wissen“
Gerade in den Medien könnte ich mir das gut vorstellen z.B. eine Sendung bei Anne Will zu 97 Leuten aus verschiedenen Bereichen, sie könnten darüber aufklären, welche Wechselwirkungen der Klimawandel in ihrem Feld auslöst. Oftmals wird über ein Klima-Thema geredet, aber eben nicht in Kombination. Es gibt genügend Artikel über Flächenverbrauch in der Landwirtschaft, aber nicht in Kombination mit den sozialen Folgen, die dadurch entstehen. Informationen könnten hier ein guter Weg sein. Ich bin schon gewillt zu glauben, dass viele Leute bestimmte Dinge nicht tun, weil sie es nicht wissen. Wenn es anders ist, dann wär‘s blöd.
Glaubst Du nicht, dass es wirklich schon viele Informationen zu all diesen Themen gibt?
Schon, aber vielleicht haben viele noch nicht wahrgenommen, wie leicht es ist, klimafreundlich zu handeln. Ehrlich, wenn die Leute wirklich wissen, wie ernsthaft die Lage um den Klimawandel ist, und sie sind wissentlich nicht bereit was zu ändern, dann sind wir verloren.
Ja, klar.
…und das bin ich nicht bereit einzugestehen. Noch nicht.
„Ehrlich, wenn die Leute wirklich wissen, wie ernsthaft die Lage um den Klimawandel ist, und sie sind wissentlich nicht bereit was zu ändern, dann sind wir verloren“
Es gibt Bereiche z.B. die Verkehrswende, da ärgert es mich total, wenn Leute bei Tempolimits davon reden, dass ihre Freiheit eingeschränkt wird. Da gibt es meiner Meinung nach eine Fehlwahrnehmung von dem, was Freiheit bedeutet. Das ständige Ausleben der eigenen Freiheit bedeutet automatisch auch die Freiheit anderer einzuschränken. Viel Freiheit bedeutet nicht automatisch viel Freiheit für mich.
„Meiner Meinung nach gibt es eine Fehlwahrnehmung von dem was Freiheit bedeutet. Das ständige Ausleben der eigenen Freiheit bedeutet automatisch auch die Freiheit anderer einzuschränken“
Gerade der Verkehr ist ein Thema, das mit am einfachsten zu regeln wäre, weil es mit Geld gelöst werden kann, z.B. über Subventionen oder kostenlose Verkehrsteilnahme. Bei den meisten anderen Klima-Themen geht das schlechter. Konkret auch für Heidelberg: ein autofreies Heidelberg wäre ein Traum, dafür müsste richtig viel Geld in die Hand genommen werden. Beispielsweise könnten Shuttle-Busse eingesetzt werden, die immer überall hinfahren und Autos müssten außerhalb parken.
„Gerade der Verkehr ist ein Thema, das mit am einfachsten zu regeln wäre, weil es mit Geld gelöst werden kann, z.B. über Subventionen oder kostenlose Verkehrsteilnahme “
Gerade diese sehr finanzstarke Region könnte ein Vorbild sein. Auch im Fahrradbereich gäb‘s Verbesserungsbedarf. Ich hab mal die fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands recherchiert. Heidelberg war im orange/roten Bereich (es gab grün, gelb, rot), ziemlich schlecht. Was schade ist, denn es gibt viele Studis und Fahrradfahrer:innen hier. Vielleicht dauert so was auch sehr lange, ich kenn mich mit Bauprojekten nicht aus, aber beispielsweise die Fahrradschnellstraße ist seit zehn Jahren ein Thema, gefühlt hat sich hier gar nichts getan.
Da geht grad einiges voran. Das Zentrum für umweltbewusste Mobilität ist ein Projekt von Ökostadt Rhein-Neckar und hier ist auch der ADFC mit vertreten, der sich viel für dieses Thema einsetzt. Wie würdest Du grundsätzlich Deinen Beitrag zum Klimaschutz bewerten?
Ich habe mal meinen Klimafußabdruck berechnet und der war halb so groß wie der eines Durchschnittsdeutschen, aber 2,5 oder 3 Mal so groß wie er eigentlich sein dürfte im weltweiten Vergleich. Ich bin aber auch der Meinung, dass Klimawandelbekämpfung, Umweltschutz und Klimagerechtigkeit durch Systemänderung hervorgerufen werden muss und nicht durch private Konsumentscheidungen. Zumindest zu einem größeren Teil und da sehe ich Deutschland momentan nicht nah dran.
„Ich bin aber auch der Meinung, dass Klimawandelbekämpfung, Umweltschutz und Klimagerechtigkeit, durch Systemänderung hervorgerufen werden muss und nicht durch private Konsumentscheidungen“
1. Jadga in den Bergen von Jadga Hügle privat.
2. Jadga im Garten von Dünya Yasavul-Bonk.