In unserem ersten Bericht von positiven Klimaprojekten im Rhein-Neckar-Kreis habe ich mit Andrea über ihren mobilen Unverpacktladen sell&ebbes gesprochen und einen Blick hinter die Kulissen geworfen. Mit ihrem Wagen ist sie jeden Wochentag auf einem anderen Markt und zeigt uns, wie wir Schritt für Schritt in die Recycling- und Unverpacktwende gehen können.
Markttag in Nußloch & mittendrin ein Unverpacktladen
Ich treffe Andrea morgens um halb neun an ihrem Markttag in Nußloch. Vor mir in der Schlange steht eine ältere Frau an und lässt ihr Müsli in einem Behältnis zusammenstellen. Andrea ist herzlich und wiegt alles nacheinander ab. Auf Nachfrage erklärt sie ihr noch, welche Zuckerarten in verschiedenen Produkten enthalten sind.
Das Sortiment vom Unverpackt-Mobil gibt so einiges her. Von Müsli über Getreidearten zu Nüssen, Kaffee, Gewürzen und leckerem Süßen lässt sich was finden. Und das alles in Bio-Qualität. Es gibt Pfandgläser und gesammeltes Altglas, in denen alles verpackt werden kann, aber Plastikbehältnisse und Baumwollsäcke tun es auch. Auch ein paar Körperhygieneprodukte wie feste Seife und Shampoo sind dabei.
Plastik ist ein billiges Material, welches wir dauernd um uns haben. Da wäre das Smartphone, unsere Kleidung, das Mikroplastik in der Zahnpasta. Üblicherweise wird Plastik aus Erdöl hergestellt. Die Förderung des Rohstoffs ist nicht nur endlich, sondern die Gewinnung erzeugt zunehmende Umweltschäden mit gravierenden Folgen fürs Klima. Da Plastik nun überall ist, ist es gar nicht so leicht, darauf zu verzichten. Allein die Hälfte des Plastikverbrauchs geht auf Verpackungsmaterial zurück, wie hier vom Nabu veranschaulicht.
Den mobilen Unverpacktladen sell&ebbes (steht für ‘dies und jenes’) eröffnete Andrea im Dezember 2019. Seit dem 16. Lebensjahr engagiert sie sich für den Umweltschutz – damals hieß es noch nicht Klimaschutz bemerkt sie – und versucht so viel Verpackungsmüll zu vermeiden, wie sie kann und so umweltbewusst wie möglich zu leben. Die Idee zu einem Laden kam ihr während ihrer anderen Leidenschaft: dem Wandern auf dem Jakobsweg.
„Ich habe mich drüber geärgert, dass ich nur unverpackt einkaufen gehen konnte, wenn ich nach Karlsruhe fuhr. Mit einer Freundin aus Köln war ich zu Fuß in Spanien unterwegs und während man mehrere Tage miteinander umherherläuft, kommt man auf die lustigsten Gesprächsthemen. Ich habe ihr erzählt, dass ich das richtig doof finde, und sie erzählte mir dann von einem tollen Unverpacktladen in Köln und sagte mir „mach dir doch deinen eigenen!“ Da habe ich gedacht „was du mir sagst, das kann ich schon lange!“. Aber es war schwierig mit einem Ladenlokal. Außerdem war das auch blöd, weil ich das Problem eigentlich nur verlagerte. Denn Unverpacktläden gibts viele in großen Städten aber die Menschen dazwischen haben eigentlich so wie ich, gar nicht die Möglichkeit unverpackt einzukaufen. Dann habe ich gedacht, „packste doch das Ganze auf Räder“. So ist dann die Idee zu einem Unverpackt-Mobil gekommen.“
Netzwerk an Unverpacktläden organisieren
Zu dem Zeitpunkt gab es nur ein weiteres Unverpackt-Mobil in Deutschland. Mittlerweile haben sich einige dazu gesellt und es eröffnen mehr und mehr Läden, auch gerade jetzt im Rhein-Neckar-Kreis. Auf der interaktiven Karte von Unverpackt e. V. lassen sich alle Läden und Wägen einfach finden.
Andrea ist hier Mitglied aber auch Nicht-Mitglieder werden aufgezählt. Gemeinsam wird an vielen Projekten gearbeitet, als so erst mal ein Blick in den Laden hergibt. Es wird an Recyclingprozessen getüftelt und Lieferanten dazu bewegt, nachhaltig zu liefern und Pfandsysteme zu etablieren.
„Im Moment ist der Vorstand dabei, einen Zoom-Stammtisch aufzubauen. Weil der Austausch gewünscht ist. Der Vorstand von Unverpackt e. V. ist in Kommunikation mit Großhändlern, dass es nicht nur unverpackter Verkauf, sondern auch möglichst unverpackter Einkauf für uns wird. Es gibt mittlerweile Produkte von einem Lieferdienst im Pfandglas (Schokocreme, Tomatenpassata, etc.) mit dem Unverpackt-Logo drauf. Wir sitzen alle im gleichen Boot, haben das gleiche Ziel und müssen zusehen wie wir das vor uns hintüdeln.“
Auch auf diesem Blog haben wir schon von einer sinnvollen Lebensmittelwahl berichtet. Viktualia ist ein Lieferdienst in der Region, der direkt vom Bauernhof Lebensmittel an Lieferstationen bringt und damit das Konzept der solidarischen Landwirtschaft unterstützt.
Wie wichtig der Austausch und die gemeinsam gesteckten Ziele sind, wird deutlich, wenn Andrea von ihren eigenen Herausforderungen mit der Warenlieferung erzählt.
„Die ersten Produkte kamen in Kartonagen an und dann kam aber die erste Paletten-Lieferung mit Plastik. Da war ich schon ein wenig frustriert. Doch nun ist immer weniger Plastik bei den Lieferungen dabei. Kartonagen und Papier kann ich weitergeben oder ins Altpapier tun. Meinem Lieferanten darf ich jetzt auch die Folierung zurückgeben – der ist total auf dieser umweltbewussten Linie und arbeitet auch glaub ich nur mit Unverpacktläden zusammen. Der gibt es jetzt zurück an den Folienhersteller und der recycelt das direkt. Es wird nichts sonst wohin geschifft, sondern direkt recycelt.“
Kennt ihr schon das Verpackungslabor Heidelberg? Es handelt sich um ein Forschungsprojekt, welches die Ökobilanz von Verpackungsmaterialien misst. Vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2021 konnten Verbraucher*innen sich über verpackungsarmen Konsum informieren und Alternativen bewerten. Die Stadt Heidelberg beteiligte sich mit 13 Läden an der Aktion und plakatierte auch mit dem Slogan „Besser nackt als verpackt – Heidelberg kauft unverpackt”. Auch im Rhein-Neckar-Kreis eröffnen bald mehrere Unverpacktläden, z.B. in St. Leon-Rot und Walldorf.
Schritt für Schritt in die Recycling- und Unverpacktwende
Es gibt also nicht den perfekten Schritt, es müssen noch einige Prozesse wieder und wieder neu bedacht werden. Während wir auf einer Bank am Marktplatz sitzen, hat Andrea ihren Wagen fest im Blick. Aber nicht nur wegen der Kund*innen. Man merkt, wie stolz und gut es ihr mit dem müllreduzierten Leben geht.
„Der Vorteil, den ich mit dem Marktwagen habe, ist, dass ich die Menschen unmittelbar ansprechen kann. Die müssen nicht erst eine Tür aufmachen oder durch ein Schaufenster schauen, sondern gucken dir direkt ins Gesicht und müssen sich auch gefallen lassen, dass ich sie anspreche. Viele kommen an und begrüßen die Idee, aber die gehen leider nicht unverpackt einkaufen. Und was ich versuche, gerade auch mit dem Mobil ist Menschen abzuholen und denen auch zu vermitteln: Es geht auch in kleinen Schritten.“
Der Markt bietet eine wunderbare Gelegenheit, wertschätzend einkaufen zu gehen. Hier wird Obst und Gemüse auch aus der Region angeboten, es gibt eine Käsetheke und bei Andrea findet man schließlich die Vorratskammer. Ein rundum Einkauf! Wie rechnet sich das denn preislich? Anke hat in ihrem Blog Wastelesshero mal zusammengestellt, wie das bei ihr so läuft. Der bewusstere Einkauf sorgt dafür, dass sie nicht mal eben nach der Arbeit oder dazwischen kurz einkauft, sondern die Planung des Einkaufs ihr auch Geld und Zeit dauerhaft spart.
Mit Andrea komme ich noch auf viele andere Aspekte. Da wäre das verpackungsfreie Lebensmittel noch gar nicht so lange her sind. Erst in den 1960er kam die Verpackung in Großsupermärkten immer mehr in Mode, ohne auch nur im Geringsten die Müllberge zu beachten. Oder wie wir auf bestimmte Mengengrößen trainiert sind. Es gibt dabei sogar Kund*innen, die mit ihren Rezepten zu ihr kommen und die Mengenangaben danach ausrichten. Besonders wichtig ist ihr aber die Wertschätzung von Lebensmitteln, die mit einer bewussteren Wahl einhergeht.
Nutzt ihr selbst unverpackte Lebensmittel? Oder feste Seife statt verpackten Duschgels? Was hat euch bei dem Schritt geholfen? Lasst mir gerne ein Kommentar dar.
„Was könnte man denn noch so tun, um Läden wie deinen zu stärken?“, frage ich Andrea. Sie antwortet blitzartig: „Einkaufen!“ Wir beide lachen. Kund*innen zu erwerben ist mitunter anstrengend, denn mit der Umstellung auf Unverpacktes tun sich viele schwer.
„Kundengewinnung ist eine große Hürde, weil eben doch sehr viele Menschen sich biologisch, gesund und bewusst ernähren, aber diesen Schritt nicht mehr weitergehen, also “ich kaufe nicht nur Bio, sondern ich kaufs auch unverpackt”. Ich will das nicht verurteilen, weil es einfach so ist, dass sich das eingeschlichen hat seit den 1960er-Jahren. Da sind die ganzen Tante-Emma-Läden ausgestorben und die Menschen haben gelernt, die 500g Packung aus dem Regal selbst zu greifen. Ich bin da auch hineingewachsen.“
Das bringt uns dazu, uns über die verschiedensten Einkaufskonzepte zu unterhalten, die wir kennen. Da gäbe es genossenschaftliche Supermärkte wie supercoop in Berlin, dessen Mitglieder Genossenschaftsanteile zahlen, mitarbeiten und ein gemeinschaftliches Mitspracherecht bei der Auswahl der Produkte teilen. Oder die selbstverwaltete Lebensmittelkooperative Appel un‘ Ei in Heidelberg im Neuenheimer Feld. Dort kann ich sogar eine Patenschaft übernehmen und außerhalb der Öffnungszeiten einkaufen gehen. Alles unverpackt. Diese Läden zeichnen sich oft darin aus, dass sie auch regional, saisonal und bio einkaufen wollen und tun.
Zu guter Letzt ein Wunsch von der Klimafee
Zum Ende frage ich sie noch unsere Liebste aller Fragen: „Wenn es eine Klimafee gäbe, was würdest du dir von ihr wünschen?“ Dabei geht es längst nicht nur um Unverpacktes.
„Dass es erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel gäbe, fände ich toll. Das hilft auch den Leuten hier einzukaufen. Und von meiner Sell & Ebbes-Fee würde ich mir wünschen, dass viele Menschen in vielen kleinen Schritten ihren ganz persönlichen und gerne auch sehr kleinen Beitrag dazu leisten, die Welt wieder in ihre Angeln zu heben.“
Als wir zum Abschluss wieder am Wagen stehen und ich noch ein paar Fotos mache, kommen wir noch auf etwas, dass uns beide verbindet und stets wieder beim Thema Umweltschutz abholt. Die Möglichkeit, immer wieder dazu zu lernen. Ob es die Erfahrung mit Menschen beim Umschwenken auf Unverpacktes ist, die Vorratskammer unverpackt organisieren zu lernen oder Müllberge aktiv zu reduzieren. Etwas auszuprobieren, offen für Neues zu sein, erschafft schließlich mehr Perspektive.
Und an alle, die gleich Lust bekommen haben, bei Andrea mal einkaufen zu gehen… gerade ist sie noch im Urlaub aber notiert euch die Woche ab dem 11. September, denn da ist Andrea wieder auf dem Markt! Mehr Infos dazu hier.
Vielen Dank, dass du unseren Bericht gelesen hast. Kennst du Klimaheld*innen-Projekte im Rhein-Neckar-Kreis, über die wir mal berichten sollten? Lass uns gerne ein Kommentar da oder schreibt mich an: isabel.kronauer[at]oekostadt.org
Bild 1, 2, 3: Mobiler Unverpacktladen sell&ebbes auf dem Marktplatz in Nußloch, von Isabel Kronauer
Hey,
wow super guter Beitrag! Danke! Andrea macht einen super Job mit ihrem Mobil!
Ihr habt als Verein 5000 Mitglieder, dass ist ja stark!
Hallo, wie schön, dass du schreibst! Unser Verein Ökostadt hat CarSharing in der Region mitgeschaffen und berät seit dem auch Bürger*innen im Zentrum für umweltbewusste Mobilität in Heidelberg. Aber wir machen noch viel mehr wie diesen Blog zum Beispiel. Hier zeigen uns die Menschen der Rhein-Neckar-Region, was sie tun für eine klimagerechte Welt und es macht uns immer wieder viel Freude mit ihnen ins Gespräch zu kommen!
Tolle Idee, den Laden mobil zu halten! So wird nicht nur Verpackung gespart sondern auch wahrscheinlich einige Auto-Kilometer aus einzelnen Anfahrten mit dem eigenen PKW. Danke für den schönen Beitrag!