Interviewte: Jule, Ort: Leimen.
Mit Jule spreche ich über ihr Engagement für den Klimaschutz. Sie wohnt in einer Wohngemeinschaft in Leimen und zum Klimaschutz gehört für Sie das gemeinschaftliche und nachhaltige Leben dazu. Sie ist 24 Jahre alt und studiert Sonderpädagogik.
Jule, was tust du für den Klimaschutz?
Ich verbinde mit Klimaschutz nachhaltig zu leben. Gefühlt sind es die kleinen Sachen für mich und andere. Und ich rede gerne mit meinen Mitmenschen darüber, weil es mich inspiriert und mich animiert, mein Verhalten zu ändern. Was ich tue, findet sich im Alltag wieder. Ich habe kein Auto, esse vegetarisch und oft saisonal und regional. Saisonal und regional bedeutet für mich, im Supermarkt auf den Herkunftsort der Produkte zu achten. Kartoffeln aus der Gegend zu holen, im Winter mit verschiedensten Rüben zu experimentieren und keine Erdbeeren zu Silvester. Die schmecken zum einen nicht und zum anderen ist es abstrus. Ein nachhaltiges Leben bedeutet für mich, dass ich mir überlege, was ich konsumiere. Brauche ich es unbedingt, ist es second-hand zu erwerben oder bekomme ich es von Freund*innen? Möchte ich mein altes Möbelstück aufwerten, statt mir ein Neues zu holen? Ist der Gegenstand zu reparieren?
Tipp: Das Informationsportal Delta21 ist ein Projekt von Ökostadt Rhein-Neckar im Rhein-Neckar-Delta. Im Sinne der Lokalen Agenda 21 zur gemeinschaftlichen Gestaltung des nachhaltigen Lebens, finden sich dort viele praktische Tipps und Adressen. Schau doch mal vorbei!
Seit wann machst du das? Gab es einen Klickmoment, wo sich dein Verhalten änderte?
Es ist ein Prozess und es gab wichtige Einflüsse in meinem Leben. Meine Eltern achten sehr darauf, wie sie die Umwelt beeinflussen. Sie fahren mit dem Fahrrad in die Arbeit, auch wenn der Weg weit ist. Oder sie bilden Fahrgemeinschaften mit Kolleg*innen. Auch von meiner großen Schwester schnapp ich Sachen auf. Sie haben es mir beigebracht in einem langsamen Prozess, in den ich hineinrutschte. Später wurde ich mir bewusst, was um mich herum passiert. Dass es Sachen gibt, die ich mit meinem eigenen Handeln und Tun verändern kann. Es ist ein Prozess, an dem ich wachse. Ich fange mit einer Sache an, lasse mich sensibilisieren und automatisch fallen mir neue Sachen auf. Ich denke mir, das möchte ich in meinem Alltag ändern. Alles baut aufeinander auf und es geht immer weiter. Fertig ist man nie.
“Oft heißt es ‘ich bin ja allein, was soll ich groß ausrichten’. Aber ich will meinen Teil beitragen, dass es in eine positive Richtung geht.”
Du bist von deinem Umfeld also schon früh geprägt worden?
Ja, man beeinflusst sich aber auch gegenseitig. Als ich ein Kind war, machte ich mir keine Gedanken, denn in der Schule wurde Nachhaltigkeit und Klimaschutz kaum behandelt. Es kam vor allem von meinen Eltern, meiner Familie. Aber das änderte sich mit dem älter werden. Ich zog aus, informierte mich selbst über verschiedene Quellen. Bücher, Zeitungen, Freunde. Da hatte ich wiederum Anregungen für meine Eltern a la „hey, wir könnten das doch mal versuchen oder ändern“. Es ist ein andauernder Austausch. Aber wahrscheinlich kommt viel von meiner Familie.
Woher nimmst du denn deine Motivation?
Es wurde mir immer klarer, wie es um die Welt steht. Ich sah es als notwendig, wieso ich das machen sollte. Auch wenn man erst mal allein dasteht, ist es möglich, was zu ändern. Oft heißt es „ich bin ja allein, was soll ich groß ausrichten“. Aber ich will meinen Teil beitragen, dass es in eine positive Richtung geht. Einfach durch verschiedene Einflüsse in den Nachrichten, im Internet, Projekte und Aktionen. Ich möchte das gemeinsam mit anderen in meinen Alltag integrieren. Würde ich es nicht machen, hätte ich ein schlechtes Gewissen.

Welche Hürden haben sich dir gestellt?
Es gibt immer Hürden. Gerade weil es ein andauernder Prozess ist, kommt immer noch was dazu. Alleine seine Gewohnheiten zu ändern, stellt oft schon eine Hürde dar. Wenn du dein Verhalten änderst, braucht es Zeit und Geduld. Es ist wichtig, sich neue Strategien zu überlegen, irgendwie müssen sich neue Abläufe einprägen. Nach einer Zeit schafft man es und dann ist es normal und keine Hürde mehr. Dann kann man sich einem neuen Punkt widmen. Mir fällt es einfacher, Schritt für Schritt Gewohnheiten zu ändern und nicht zu viel auf einmal.
“Ich lasse mich nicht triggern von den ganzen Reklamen mit Tausenden Angeboten […] Die Sachen brauche ich nicht. Wenn sich das realisiert, merke ich, wie mich das entschleunigt.”
Fällt dir ein Moment ein, wo du deine Gewohnheit ändern wolltest? Wie bist du das angegangen?
Klamotten aus zweiter Hand zu erhalten, wirkt erst wie ein höherer Aufwand. Ich weiß nie, was im Laden vorhanden ist und vielleicht gab es das, was ich wollte, nicht in der passenden Größe. Dann muss ich öfter hin und regelmäßiger durch das Angebot schauen. Dafür sind die Kleider oft viel günstiger und noch in sehr gutem Zustand. Ich finde es erschreckend, wie kurz Kleidungsstücke oft nur getragen werden, bevor sie schon wieder aussortiert werden. Wenn ich etwas Bestimmtes brauche, ist es nicht verwerflich, es neu zu kaufen. Na ja, ein paar Dinge wie Socken will ich nicht gebraucht, – die strick ich lieber!
Was hat sich so verändert? Siehst du Vorteile durch deinen nachhaltigen Lebensstil?
Es wird oft gesagt, die Umstellung ist teurer, aber das muss es nicht sein. An einigen Stellen geben wir vielleicht für Bio-Lebensmittel mehr aus. Aber in der jeweiligen Jahreszeit bekomme ich saisonales und regionales Gemüse wie Rüben oder Ähnliches sehr günstig. Ich lasse mich nicht triggern von den ganzen Reklamen mit Tausenden Angeboten „Rabatte! Jetzt ist Schlussverkauf! Jetzt kauf bitte alles!“ Die Sachen brauche ich nicht. Wenn sich das realisiert, merke ich, wie mich das entschleunigt.
Bevor ich mir etwas kaufe, denke ich erst ein paar Tage darüber nach, ob ich es tatsächlich brauche oder möchte. Oft entscheide ich mich wieder um, weil mir der Kauf nicht mehr nötig erscheint oder ich Alternativen entdeckt habe.
Außerdem lege ich die meisten Wege in meinem Alltag mit dem Fahrrad zurück und plane hierfür mehr Zeit ein. Dann bewege ich mich, es gefällt mir und ich bin draußen an der frischen Luft. Es sind einfache, alltägliche Dinge und das tut an manchen Stellen gut.
“Wenn ich mit der Generation meiner Großeltern rede, geht es in einem ökologischen Haushalt quasi zurück in der Zeit. Da wird keine Alufolie verwendet, sondern ein Teller auf das übrige Essen gestellt.”
Wie sehen das deine Familie, Bekannte, Freunde so? Was sagen sie zu deinem Entschluss? Sind sie auch so unterwegs oder gab es Diskussionen?
Also viele aus meiner Umgebung sehen das ähnlich. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft, in der wir unsere Lebensmittel zusammen einkaufen und nutzen. Wir achten gemeinsam auf die Lebensmittelwahl. Wenn es Sachen zu reparieren gibt, helfen wir uns gegenseitig aus und unterstützen uns. Unser Garten ist auch ein gemeinschaftliches Projekt, in dem seit Kurzem Hühner drin wohnen. Da kam einiges ins Rollen, beispielsweise das Gehege mit natürlichen Materialien tierfreundlich zu gestalten. Außer für Katzen, die mag ich nicht. Die können gerne wegbleiben.
Wenn ich mit der Generation meiner Großeltern rede, geht es in einem ökologischen Haushalt quasi zurück in der Zeit. Da wird keine Alufolie verwendet, sondern ein Teller auf das übrige Essen gestellt. Oder man lagert Lebensmittel im Keller. Vor kurzem war mein Großvater da, der das Konzept einer Wohngemeinschaft komisch fand. Da hat er sich erinnert, dass früher mit anderen Familien die Küche und Teile des Hauses geteilt wurden. Nur dass wir uns die Leute jetzt aussuchen mit denen wir leben wollen.

Kennst du grundsätzlich Gruppen, die sich hier in Umgebung damit beschäftigen?
Ich bin noch nicht lange hier, aber leider ist mir nicht viel an Initiativen aufgefallen. Gut, es ist auch Pandemie. Eine schöne Sache fällt mir ein: Es werden, ich glaube von der Stadt, Gärten zum gemeinschaftlichen Gärtnern angeboten. Über den Garten die Umwelteinflüsse kennenzulernen, kann einem die Augen öffnen. Ich wünsche mir allgemein, dass öffentliches Leben umgestaltet wird, damit umweltbewusstes Verhalten gefördert wird. Viele Leute werden es nicht hören wollen, doch ich wünsche mir, dass die Hauptstraße nach Leimen eine 30er Zone wird. Außerdem sollen die Fahrradwege ausgebaut werden, denn die sind hier schlecht. Ich fahre viel nach Heidelberg. Da gibt es Fahrradwege, die hören im Nichts auf oder Bordsteine machen die einfache Überquerung unmöglich.
Fahrradwege und Übergänge, Tempolimit einführen – das alles kann Menschen animieren. Ich bin jetzt schon mit dem Fahrrad so schnell wie die Straßenbahn. Ein Autofahrer hat auf derselben Strecke noch mehr Ampeln und spätestens um 17 Uhr ist auf der Hauptstraße stockender Verkehr. Mit dem Fahrrad flitz ich dran vorbei. Mehr begrünte Gegenden würden mich auch in der Stadt freuen.
Tipp: Das Zentrum für umweltbewusste Mobilität ist ein Projekt von Ökostadt Rhein-Neckar, wo man kostenlos auch Lastenräder ausleihen kann. Hier sind auch der ADFC und VCD mit vertreten, die sich für Themen rund um Fahrrad und Verkehr deutschlandweit einsetzen.
Kommen wir zur letzten Frage: Es gibt keinen politischen Apparat und eine Klimafee stattdessen. Was würdest du dir wünschen?
Ha, die Frage ist gemein. Ganz banal wünsche ich mir, dass bei den Menschen ein Umdenken stattfindet. Ein globales Umdenken, was Klimaschutz und Nachhaltigkeit betrifft. Es nicht als Problem anzusehen, sondern dass alle was gerne dafür tun wollen und können. Dass es politisch umgesetzt wird und damit meine ich auch, dass Anreize im wirtschaftlichen Handel geschaffen werden.
Welche politischen Rahmenbedingungen, würden Menschen wie dir weiterhelfen, weiter voranzukommen?
Das wirkte vielleicht gerade so, als müsste die Politik nicht mehr wirklich handeln, wenn die Leute nur ihr Verhalten ändern. Das stimmt natürlich nicht. Es geht auch um Wirtschaft und die Idee von dauerndem Profit. Da muss und soll es natürlich Regelungen geben, die auch wirklich umgesetzt werden. Es ist schwierig, radikalere Schritte zu setzen. Nicht den Müll mit einem Laubbläser in die andere Ecke der Welt schieben, wie es von Europa beispielsweise nach Asien geschieht. Soll es aber wirklich von oben herab sein? Es muss parallel auf vielen Ebenen passieren und ich denke, die Politik tut zu wenig und sie müsste radikaler durchgreifen, Innovationen und Alternativen fördern.