Einblicke in die Reparaturkultur rund um Heidelberg und Rhein-Neckar
Wir haben euch schon erzählt, wie eine gemeinschaftliche Reparatur in Repair Cafés ausschauen kann. In unseren Repair Cafés helfen Ehrenamtliche anderen bei der Reparatur ihrer Gegenstände in einer angenehmen Atmosphäre. Gemeinsam leisten wir einen Schritt gegen die Wegwerfkultur unserer Gesellschaft. Nun möchten wir wissen, wie wir allgemein die Reparaturneigung in unserer Umgebung erhöhen können.
An erster Stelle steht hier das Handwerk, das die meisten unserer Gebrauchsgegenstände repariert. Das Handwerk nimmt eine entscheidende Rolle durch Reparaturleistungen und Beratung ein. Gleichzeitig werden HandwerkerInnen mehr und mehr aus dem Gewerbe gedrängt. Seien es unbesetzte Ausbildungsstellen, fehlende Ersatzteile oder Vertragsbindungen von Werkstätten an Herstellern. Kleinere Haushaltsgeräte wie der Mixer oder der Toaster werden auch nicht mehr beim Elektrobetrieb zur Reparatur abgegeben. Und dann fehlen wieder die Ersatzteile. Eine Neuanschaffung ist finanziell erstmal günstig. Aber die ökologischen und sozialen Folgen ein Desaster. Auf den zweiten Blick wird es dann sehr teuer. Wir sehen hier die Hersteller in der Verantwortung. Aber auch die Gesellschaft muss ihr Recht auf Reparatur einfordern und lernen, umzudenken. Die Reparaturneigung der Gesellschaft zu erhöhen bedeutet also, dass wir Wege finden müssen, ökologisches und soziales Wirtschaften zu fördern.
Reparaturen in unserer Umgebung fördern
Wie kann konkret die Reparaturlandschaft in Heidelberg und Rhein-Neckar gefördert werden? Zu einem ersten Vernetzungstreffen im Oktober haben wir von Ökostadt Rhein-Neckar e.V. und das Institut für Betriebsführung „itb Karlsruhe“, eingeladen, um uns gemeinsam mit lokalen Akteuren darüber auszutauschen. Im Welthaus trafen sich VertreterInnen der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald und der Innung für Elektro-Technik Heidelberg (ein Zusammenschluss von elektrotechnischen Handwerksbetrieben im Rhein-Neckar-Kreis), des Agenda-Büros der Stadt Heidelberg und der Abfallwirtschaft. Weitere Beteiligte waren von der ‚Werkstattschule‘, dem CoMakingSpace Heidelberg, dem Collegium Academicum und der selbstorganisierten Fahrradwerkstatt URRmEL. Wir sehen: die Vernetzung kann richtig in die Breite gehen.
An diesem Nachmittag gab es eine Einführung in das Thema. Es wurde anschaulich erklärt, weshalb Reparieren nachhaltig ist, welche Akteure es gibt und vor welchen Herausforderungen wir stehen. Dabei wurde deutlich, dass die strukturellen Forderungen vom ‚Recht auf Reparatur‘ auch den Einsatz lokaler Initiativen und Organisationen brauchen, um Perspektiven zu schaffen.
Wieso ein ‚Runder Tisch Reparatur‘ in Rhein-Neckar?
Unser Vorbild ist der bundesweite Runder Tisch Reparatur, der sich für die „Senkung des Ressourcenverbrauchs und lokale Wirtschaftsförderung“ stark macht. Seit 2015 setzt sich das Netzwerk aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft, Beratung und ehrenamtlicher Reparatur zusammen. Ihr Anliegen ist ein Politisches: Sie wollen eine gesetzliche Lage schaffen, die die Reparaturmöglichkeiten in der Wirtschaft und Gesellschaft erhöht. Dafür wurde ein Positionspapier entwickelt und erste Schritte auf der EU-Ebene unternommen. Als lokales Repair Café haben wir uns gefragt, was wir dafür in unserer Region tun können.
Um eine Kooperation aus Handwerksbetrieben und Reparatur-Initiativen auf lokaler Ebene aufzubauen, wird seit 2020 das Repair Café vom Forschungsprojekt RealKoop (Reallabor Kooperieren und Ressourcen schonen) des itb Karlsruhe begleitet und beraten. Im Rahmen des Reallabors möchten wir erproben und erfahren, wie Kooperationen zwischen ehrenamtlichen Initiativen, Hochschulen, Kommunen und staatlichen Institutionen sowie Unternehmen Wissen verknüpfen und Lernprozesse entstehen lassen können. Dadurch sollen wissenschaftliche Erkenntnisse und solide Handlungsmöglichkeiten für die Akteure entstehen. Einen ersten Leitfaden, wie die Zusammenarbeit von Handwerk und Repair Cafés gelingen kann, wurde vom itb schon veröffentlicht. Wichtig ist, dass wir voneinander lernen und aufeinander aufbauen können.
Austausch schafft Vernetzung und Aktivität
Umso wichtiger ist es, alle Akteure miteinander ins Gespräch kommen zu lassen. In der zweiten Hälfte des Nachmittags ging es darum, wo wir ansetzen können und welche Ideen, Wünsche und Erwartungen wir mitbringen. Anhand der Themen Reparaturangebot, Öffentlichkeitsarbeit und Bildung unterhielt man sich angeregt. Welche Reparaturbetriebe gibt es und welche werden verdrängt? Wie hängt das mit Vorstellungen vom Handwerk zusammen? Welche Initiativen und Projekte gibt es bereits, an denen man sich orientieren kann?
Ein Beispiel ist die bib der Dinge in Bochum. Sie “funktioniert wie eine Bibliothek, statt Bücher stehen in ihr allerdings viele verschiedene alltägliche und außeralltägliche Dinge zum Verleih bereit: Werkzeuge für Heim und Garten, Utensilien für die Küche, Artikel für Sport und Freizeit, elektronische Geräte, uvm.” Dort befinden sich auch verschiedene Werkstätten und Räume für diverse Veranstaltungen. Regelmäßig werden Repair Cafés angeboten und sie steht allen offen.
Auch in unserer Umgebung findet schon einiges statt, um zu zeigen, wo es Reparaturen gibt. So gibt es den nachhaltigen Einkaufsführer der Stadt Heidelberg shop.share.repair oder das Informationsportal für nachhaltiges Leben im Rhein-Neckar-Dreieck Delta21. Es bleiben unter uns aber auch viele Fragen offen und das Interesse ist da, weiter im Gespräch zu bleiben. Aus diesem Treffen haben wir mitgenommen, dass es die Vernetzung untereinander dringend braucht und wir weitere Schritte gehen wollen, um Aktivitäten rund um die Reparatur und das Handwerk in unserer Ecke der Welt zu stärken. Wir sehen mit Begeisterung dem nächsten Treffen entgegen!
Kennt ihr eine Organisation, Initiative oder einfach begeistertere Menschen, die sich für ein ein Reparatur-Projekt begeistern? Schreibt uns in die Kommentare oder an info[at]oekostadt.org!