Interviewte: I. Pinillo; Ort: Leimen
Was genau tust Du für’s Klima, vor Allem weil Du Dich politisch engagierst?
Auf der politischen, systematischen Ebene habe ich mich in politischen Prozessen organisiert, weil oftmals Stadt- oder Industrie-Projekte nicht radikal genug sind, wenn es um den Klimawandel geht. Das hat sich mittlerweile auch auf die zivile Ungehorsams-Ebene verfrachtet. Hierbei habe ich fantastische Projekte kennen gelernt. Es sind immer viele Dinge, die sich klimatechnisch im Alltag tun und dann wieder in der politischen Struktur.
Seit wann machst Du das?
Ich habe meine ersten Erfahrungen mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in einer Naturschutzorganisation in Peru gemacht. Dort habe ich viel über Umweltpädagogik, Biodiversität und soziale Gerechtigkeit gelernt. Erst später kam die politische Ebene hinzu. Wenn man sich tiefer in die Thematik einliest, versteht man, dass sich vieles nicht beim Endverbraucher abspielt. Denn im Industrie- und Transportsektor wird u.a. die meiste Energie verbraucht. Dort braucht es einen starkenUmwandlungsprozess. So kam ich mehr auf die Stromindustrie wie die Kohleproduktion, ich erfuhr von Ende Gelände und Alle Dörfer bleiben. RWE hat z.B. eine Struktur aufgebaut, die es ihnen erlaubt, mehr Boden zu nutzen als sie tatsächlich brauchen bis zum Kohleausstieg. Im Moment werden Dörfer vernichtet, die eigentlich weiter bestehen könnten.
Wo nimmst Du Dein Warum her, Deine Motivation?
Aus den zahlreichen Projekten und dem coolen Zusammenhalt, der dort existiert. Hieraus schöpfe ich Energie und Motivation und so entwickelt sich das Engagement auch immer wieder in unterschiedliche Richtungen. Zudem ist mir Klimagerechtigkeit wichtig. Nicht nur, dass wir den Klimawandel stoppen, sondern, dass wir dafür sorgen, dass ein sozialer und ökologischer Zusammenhalt existiert, wo man sich umeinander kümmert. Im Freiwilligendienst konnte ich ganz real erleben, wie es die ärmsten Menschen trifft. Dort wo Ressourcen abgebaut werden, tritt man Menschenrechte mit Füßen. Das habe ich bei Alle Dörfer bleiben wiedergesehen. Die Menschen werden für Ressourcen aus ihren Häusern vertrieben, die nicht mehr genutzt werden müssten. Denn es gibt die Möglichkeit, eine nachhaltige Energieversorgung zu schaffen.
„Nicht nur, dass wir den Klimawandel stoppen, sondern, dass wir dafür sorgen, dass ein sozialer und ökologischer Zusammenhalt existiert, wo man sich umeinander kümmert.“
Es kommt immer wieder zu sozialer Ausgrenzung durch den Klimawandel, gerade Frauen* leiden stärker darunter, bei Ressourcenverknappung trifft es sie besonders. Zudem habe ich Atopische Dermatitis (Neurodermitis). Ich reagiere stark auf Umwelteinflüsse, z.B. merke ich den Jahreszeitenwechsel oder die Heizungsluft. Das führt mir immer vor Augen, wie stark die Umwelt auf uns einwirken kann. Das ist auch eine Mitmotivation, ich möchte nicht, dass sich meine Umwelt auch so fühlt wie ich mich fühle.
Ich frage mich immer, warum setzen sich die Einen für’s Klima ein und Anderen ist es egal?
Ich musste mich auch erstmal reinfinden, was es heißt, eine Nachbarschaft zu haben, mit der man Dinge teilt, über Themen diskutiert, auch wenn es einem nicht leichtfällt, und neue Konzepte entwickelt. Das ist ein langer, andauernder Prozess. Das Schöne daran: es macht dich immer wieder neugierig. Ich weiß aber auch, dass es Zeit dafür braucht und viele Leute haben nicht die Ressourcen, die ich gerade genieße. Dementsprechend muss das Interesse am Klimawandel auch mit einem sozialen Wandel einhergehen. Ökologische Verträglichkeit funktioniert ohne soziale Verträglichkeit nicht.
„Das Interesse am Klimawandel muss auch mit einem sozialen Wandel einhergehen. Ökologische Verträglichkeit funktioniert ohne soziale Verträglichkeit nicht“
Was würdest Du Dir für den Leimener Klimaschutz wünschen?
Eine Bienenwiese, geschaffen durch die gestärkte Grün-Alternative Liste Leimen (GALL) ist toll, aber ich möchte gern mehr hören zu Bauvorhaben in Leimen und deren klimagerechte Prämissen. Ich weiß, dass Flächen für Baukriterien analysiert werden und was Flächenversiegelung bedeutet. Es ist mir ein Anliegen, darüber mehr zu hören. Auch Heidelberg wird immer dichter bebaut. Eigentlich müsste es eine Entwicklung nach innen geben, Richtung Hochhäuser, die jedoch gerechter aufgebaut sind, und nicht nach außen, wie nach Leimen. Es gibt Architekturprojekte die z.B. Kindergärten mit anderen verschiedenen, sozialen Projekten verknüpfen, die sich ergänzen. In Leimen sehe ich nichts dazu, was mich wundert, dafür dass eine so starke politische Partei wie die GALL existiert. Ich weiß von keinem Leimener Projekt, das sich besonders einem strukturellen Klimaschutz-Ziel widmet. In Leimen fehlt es an Zielen und Input.
Gab es denn für Dich am Anfang Hürden, als Du angefangen hast, Dich für den Klimaschutz zu engagieren?
Ziviler Ungehorsam bleibt stark von Polizeigewalt geprägt, das war eine Hürde und ist es für viele immer noch. Man muss sich mal im Danni anschauen was dort abging. Gegen Menschen, die sich für eine klimafreundliche Zukunft engagieren, wurde körperliche und psychische Gewalt als legitime Repression hochgehalten.
Du sprichst viel von zivilem Ungehorsam, welche Projekte hast Du unterstützt, wie hast Du das erlebt?
Ziviler Ungehorsam wird oft so dargestellt, als würde man irgendwohin gehen, sagen „ich hab keine Lust und jetzt blockiere ich mal was“. Aber beim zivilen Ungehorsam geht es darum, informiert zu werden und informiert zu bleiben und sich neue Projekte anzuschauen. Es geht damit einher sich klimafreundlicher zu organisieren. Beim letzten Ende Gelände-Camp, bei dem ich war, habe ich im Pressebereich gearbeitet. Dort wurde in einem abzureißendem Dorf ein verlassenes Haus besetzt. Damit rechneten nicht mal die Leute in der Bewegung selbst. Das Haus ist eine ehemalige Wirtschaft, die von RWE aufgekauft und nicht mehr betrieben werden durfte. Jedoch war das der Versammlungsort der Dorfbewohner*innen, die sich in Alle Dörfer bleiben organisieren.
„Es gibt einen relativ großen, positiven Rückhalt in der Gesellschaft, auch bei der Idee, dass man das Klima stärker schützen muss und ziviler Ungehorsam als politischer Protest legitim ist.“

Wir konnten beobachten, wie den Menschen der Raum entzogen wurde, sich zu organisieren. Das hat eine Solidarität mit den Dorfbewohner*innen geschaffen, die ich so noch nie erlebt habe. Daraus entwickelten sich viele Gespräche. Letztlich entwickelte sich am Dorfrand auch eine Waldblockade “Unser aller Wald“. Die Dorfbewohner*innen freuten sich darüber, neue Nachbarn zu haben und sich wieder etwas aufzubauen. Denn genau das ist diese Blockade, ein Aufbau. Blockaden von Aktivist*innen werden im Klimakontext oft als Verzicht, Verlust oder unnötige Gegenwehr bezeichnet. Aber wenn man dort war, merkt man, wie fruchtbar die Interaktionen sind, dass sie eine Perspektive schaffen.
Was meinst Du mit Aufbau?
Der Aufbau ist eine soziostrukturelle Sache. Dabei geht es darum, mehr Beziehungen zwischen den Dorfbewohner*innen, dem politischen Protest, aber auch der Wirtschaft aufzubauen. Ein vieldiskutiertes Projekt ist die Vergesellschaftung von RWE. Da ist viel Arbeit reingeflossen, die Fragen hierbei sind: Wie lässt sich RWE gut vergesellschaften? Wie soll das abgebaggerte Gebiet zu einer nachhaltigen Energieversorgung führen, z.B. indem es zu einer Wasseranlage umgebaut wird? Wie sollen Arbeiter*innen umgeschult werden? Das kommt von den Menschen, die den politischen Protest mit organisieren, von den Dorfbewohner*innen und von Leuten, die in Klimaprojekten sind. Das würde ich als Aufbau bezeichnen, der aber leider zu wenig Anerkennung erhält.
Siehst Du Vorteile durch Dein Engagement?
Ja, neue Leute kennen zu lernen, neugierig zu sein, kreative Lösungsmöglichkeiten zu schaffen – das ist wunderschön. Viel gegeben hat mir tatsächlich die Gartenarbeit. Ich hatte wenig Bezug zu Pflanzen und den Umweltprozessen eines Gartens, da ich in der Großstadt aufgewachsen bin. Auch Freundschaften haben sich ergeben. Projekte, auf die man stolz ist, Demonstrationen, die ich mitorganisiert habe. Dadurch habe ich coole Orte und Projekte kennengelernt, die sich gegenseitig fördern. Das gibt viel Mut.
Gibt es auch Nachteile durch Dein Engagement?
Manchmal bin ich müde, wenn wir nicht voran kommen. Es fehlt das zuhören seitens der Politik und dann hört man die zahlreichen Vorurteile, die gegenüber Klimaaktivist*innen herrschen. Aber davon sollte man sich nicht runterziehen lassen – dafür gibt es zu viele coole, tolle Menschen.
„Die Menschen der Gebiete, die betroffen sind von dem Abbau, und die Menschen der Gebiete, die diese Produkte brauchen, die müssen ein Mitspracherecht haben, das ist nicht unkompliziert, aber letztlich haben wir es auch geschafft eine Demokratie aufzubauen.“
Findest Du, der systematische Wandel sollte top down geschehen?
Nein, ich finde nicht, dass es top down kommen sollte. Jedoch obliegen der persönlichen Ebene Grenzen. Klar, man kann sich informieren, um zu erkennen, was sich gerade klimapolitisch tut. Es funktioniert jedoch nicht allein auf der individuellen Ebene. Es muss ganz klar ein wirtschaftlicher Wandel her, z.B. die Kohlekraft komplett abschaffen und durch Alternativen ersetzen. Damit wäre ein riesiger Energie-Sektor umfasst. Oder der Bausektor – bei uns vor der Tür liegt HeidelbergCement. 5-8 % des CO2-Ausstoßes gehen auf die weltweite Zementproduktion zurück! Auch wenn HeidelbergCement sagt, sie haben einen klimafreundlicheren Baustoff; der ist trotzdem nicht allen zugänglich, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt, weil sie den Profit “brauchen”.
Sollten sie Deiner Meinung nach weniger bauen oder auf einen anderen Baustoff setzen?
Weniger mit dem Material bauen. Es wird erneut mit Holz experimentiert und vom CO2-Ausstoß und Nachbau funktioniert es bisher. Zement hingegen wird aus dem Boden abgebaut und lässt sich nicht künstlich nachbauen. Zudem geht der Zement-Sektor mit vielen Menschenrechtsverzletzungen einher, wie es HeidelbergCement vormacht. Man könnte meinen, sie haben sich konkret Konfliktgebiete ausgesucht, in denen sie leichter abbauen können. Sozialverträglich ist diese Industrie nicht. Asu ökologischer Perspektive schlage ich vor: fokussiert euch auf den Baustoff, der mehr CO2 bindet, denn wir brauchen ja Häuser. Jedoch: wer profitiert von dem Bauboom? Nicht die Menschen, die diese Häuser brauchen, sondern Immobilienunternehmen. Wer leidet letztendlich unter diesem Abbau? Wir alle!
„Das muss man auch bedenken, dass man da, wo man aktuell steht, so viel tut, wie man eben kann.“
Vergesellschaftung würde dafür sorgen, dass der Profit nicht an einige Wenige geht, sondern das Eigentum auf alle umverteilt wird. Hierbei ergeben sich viele unterschiedliche Möglichkeiten, es bedeutet nicht Verstaatlichung, denn der Staat könnte ebenfalls einfach so weitermachen. Die Menschen der Gebiete, die betroffen sind von dem Abbau, und die Menschen der Gebiete, die diese Produkte brauchen, die müssen ein Mitspracherecht haben. Das ist nicht unkompliziert, aber letztlich haben wir es auch geschafft, eine Demokratie aufzubauen.
Wie würdest Du Deinen Beitrag zum Klimaschutz bewerten?
Dadurch, dass er mir so viel gegeben hat, frage ich mich immer, wie ich dem eigentlich noch mehr zurückgeben kann.
Das ist ein sehr guter Ansatz (wir lachen beide), das ist doch schön!
Es ist nicht immer leicht, aber ich bin sehr zufrieden und glücklich mit meinem Leben. Beim Werten steckt der Vergleich drin, wer macht mehr, wer macht weniger, was sehr schädlich sein kann. Ich habe das auch ab und zu gemacht und musste mich davon wieder distanzieren. Ich bin weder Kommunalpolitikerin, noch habe ich eine Arbeit, die sich gezielt mit dem Klimawandel auseinandersetzt. Das muss man auch bedenken, dass man da, wo man aktuell steht, so viel tut, wie man eben kann.
Was würdest Du sagen mit was kann man anfangen?
Nicht an Kleinigkeiten festhalten, sondern lieber das große Bild anschauen. Sich nicht stressen, wenn man nicht immer seinen eigenen gesetzten, klimafreundlichen Zielen nachkommen kann. Eine diskursive oder mentale Unterstützung für klimapolitische Leute ist immer gut, wenn man selbst gerade wenig Möglichkeiten hat aktiv zu sein z.B. indem man Freunde und Familie unterstützt, z.B. dadurch, dass man sagt, ich unterstütze dein Vorhaben. Gerade von der Klimagerechtigkeitsbewegung hört man zum Glück mehr Stimmen, die fragen, wie schaut’s mit Antirassismus aus? Sexismus? Wie kann man dem entgegenwirken und dadurch auch mehr Leute einbeziehen.
„Ich möchte mir nicht einfach nur eine utopische Welt herbeiwünschen, ich wünsche mir, dass die Menschen davon lernen, diese klimafreundlichere Welt zu erschaffen.“

Stell dir vor, es gebe eine Klimafee und keinen politischen Apparat, was würdest Du Dir wünschen?
Mir würde die Anerkennung von ökologischen und sozialen Vergesellschaftungsprozessen gefallen. Die Anerkennung der Idee, der Umsetzung, des Engagements da drin, weil das etwas ist, von dem wir noch weit entfernt sind. Weil es auch mit der Idee von Verstaatlichung und Kollektivierung einhergeht, dass man irgendwie auch eine Gleichheit schaffen will – aber das ist es nicht. Vergesellschaftung ist ein Prozess, der sich ganz konkret mit den Gegebenheiten und den Menschen vor Ort auseinandersetzt. Ich möchte mir nicht einfach nur eine utopische Welt herbeiwünschen, ich wünsche mir, dass die Menschen davon lernen, diese klimafreundlichere Welt zu erschaffen.
Wieso sollten klimaschädliche Profite möglich sein, wenn es letztendlich eine Umwelt ist, die uns alle betrifft? Da würde ich mir auch von der politischen Ebene viel mehr Anerkennung um die begründeten Prozesse der Vergesellschaftung wünschen.
Was meinst Du mit Anerkennung?
Wie wär’s mit der Vergesellschaftung von RWE? Dann bekommen die Vorstände keine Millionen-Abfindungen. Stattdessen werden nachhaltige Finanzierungspläne vorbereitet, um den Klimaschaden so gut es geht aufzuhalten. Also, in Richtung nachhaltiges Wirtschaften gehen. Hier wünsche ich mir mehr Anerkennung, dass wir keinen Profit in den Händen weniger brauchen, sondern das Ressourcen langfristig gepflegt werden. Es herrscht so viel Angst vor dem Kommunismus-Gedanken. Es zeigt sich auch eine komische Art von Eigentumsverhältnissen, aber wie haben sich die Menschen das denn erarbeitet? Das sind gesellschaftliche Prozesse, die es erlauben, in die eine oder andere Richtung zu gehen. Wieso sollten klimaschädliche Profite möglich sein, wenn es letztendlich eine Umwelt ist, die uns alle betrifft? Da würde ich mir auch von der politischen Ebene viel mehr Anerkennung um die begründeten Prozesse der Vergesellschaftung wünschen.
Würde eine Änderung des Eigentumsrecht Sinn machen?
Ja, es gibt wirklich spannende Gespräche über Eigentumsrechte und was sie ausmacht. In Neuseeland hat ein Fluss das Recht erhalten, klimafreundlich behandelt zu werden. Das Eigentumsrecht in Deutschland wird hingegen sehr stark gewahrt. Ich finde es befremdlich, dass Menschen, die Antisemitismus erleben, erst eine Anzeige machen, wenn ihnen dabei ein Handy zerstört wurde. Antisemitismus ist weniger anerkannt, als die Zerstörung von Eigentum und so ist es auch beim Klima. Die Klimazerstörung und ihre Folgen werden als nicht sichtbar betrachtet. Daraus wird gefolgert: Nutzen wir doch lieber die Ressourcen, so lange wir sie noch haben. Das ist absurd.
Die Klimazerstörung und ihre Folgen werden als nicht sichtbar betrachtet. Daraus wird gefolgert: Nutzen wir doch lieber die Ressourcen so lange wir sie noch haben. Das ist absurd.
- Bild: Unser aller Wald von I. Pinillo privat
- Bild: Im Garten von Dünya Yasavul-Bonk
- Bild: In den Bergen von I. Pinillo privat
Es ist ein ganz toller Beitrag. Wünsche mir dass viele Menschen diese Ansichten vertreten. Danke. LG Joachim