Interviewte: Sigi Blaser; Ort: Leimen
Was genau tust Du fürs Klima?
Sagen wir mal ich bin auf dem Weg was fürs Klima zu tun, das möchte ich auf jeden Fall betonen, nach oben hin ist noch viel Luft. Seit 3-4 Jahren esse ich weitgehend vegetarisch. Mit einer Familie ist es schwieriger die Ernährung umzustellen oder auch alle mit ins Boot zu nehmen. Ich bin auch niemand, der sagt „so machen wir das“ und setze alles bestimmend durch. Ich mache einfach. Und freu mich mittlerweile, dass ich die Familie so mit ins Boot gekriegt hab. Meine Tochter hat immer zur Fastenzeit auf Fleisch verzichtet und in den letzten zwei Jahren hat sie es weiter ausgedehnt und länger auf Fleisch verzichtet. Inzwischen kocht sie nur vegetarisch. Mein Sohn kocht auch fast nur vegetarisch und das ist echt schön, dass er das auch ohne Druck so mitgenommen hat.
Bei der Lebenshilfe gab es jetzt das Angebot Jobräder zu bekommen. Mit meinem schweren Fahrrad schaffe ich es nicht jeden Tag nach Wiesloch zu fahren, das ist mir zu anstrengend. Mit einem E-Bike hingegen, ist es vielleicht eine Motivation das Auto stehen zu lassen. Mal gucken was passiert, ich freu mich drauf und hoffe dass es klappt. (Anmerkung im Januar 2021: inzwischen lege ich die allermeisten Wege mit dem Rad zurück, und genieße es, dadurch mehr Bewegung an der frischen Luft zu haben!)
Bisher haben meine Kollegin und ich eine Fahrgemeinschaft gegründet, sodass nicht jede in die gleiche Richtung fährt. Wenn wir im Sommer wegfahren, dann fahren wir in Auto-Reichweite in den Urlaub, wir fliegen super selten in den Urlaub.
Ist das eine bewusste Entscheidung oder hat es sich so ergeben, weil ihr das mögt?
Es koppelt sich mit einer Flugangst meinerseits, aber das ist mein persönliches Problem. Würde der Rest der Familie fliegen wollen, dann wäre ich trotzdem mitgegangen. Es wurde eine immer bewusstere Entscheidung. Wir bekommen einmal in der Woche die Zeit, da steht viel über den Klimawandel drin. Das hat mir sehr geholfen, mich bewusster dafür zu entscheiden, Dinge zu tun oder zu lassen. Deswegen meinte ich auch „auf dem Weg sein“.
Ein klimafreundliches Leben entwickelt sich im Laufe der Zeit…
Man trifft immer wieder auf Menschen die das Vorleben z.B. eine Kollegin, die extrem klimafreundlich lebt – in allen Belangen – ich habe sie immer dafür bewundert. Irgendwann fragt man sich selbst, vielleicht gibt es auch Dinge die ich selbst tun kann.
Wo nimmst Du Deine Motivation her?
Durch die Berichtserstattung, wo ich mir denke „Mensch, wir müssen was tun“. Die andere Motivation rührt daher, dass ich erhalten möchte, ich möchte nicht zerstören und es wird mir immer deutlicher, wo ich gegenüber unserer Umwelt unfair unterwegs bin. Genauso wie ich anderen Menschen nicht zu nahetreten will und ihre Privatsphäre achte. So geht es mir mit der Umwelt auch, ich möchte, dass sie so bleibt.
Das ist doch eine schöne Motivation! Gab es auch Hürden zu überwinden?
Die eigene innere Hürde was zu verändern, aus seinem Gewohnten rauszugehen, das fällt mir schwer. Es gibt Menschen die an Gewohntem festhalten, da würde ich mich dazuzählen.
„Irgendwann fragt man sich selbst, vielleicht gibt es auch Dinge die ich selbst tun kann“
Eine weitere Hürde ist auch, dass andere Menschen mit dranhängen – meine Familie. Wie gesagt, ich bin kein bestimmerischer Mensch. Sondern bei uns geht mein Mann einkaufen und meistens ist er derjenige, der kocht. Deshalb kann ich ihm auch nicht vorschreiben wo und wie er einzukaufen hat. Mittlerweile kann er sich auch dafür begeistern, was ich total cool finde. Er mag es regional und saisonal einzukaufen. Ich finde das war eine Hürde, da ich von der anderen Person nicht erwarten kann, dass er sich auf eine bestimmte Art verhält, das kann ich nicht bestimmen wie bei mir selbst. Ich denke als Einzelperson, wäre es mir in vielen Belangen leichter gefallen.
Mein Mann geht z.B. bei uns auch einkaufen und wir reden viel darüber, dadurch entsteht ein Austausch und manche Dinge ändern sich auch mit der Zeit. Trotzdem schaut er sich immer die Rabattschilder an (lacht)…
Ja genau, aber das will ich auch nicht, ich will das nicht über meinen Mann stülpen, sondern es ist mir lieber, diese Entscheidung hin zu mehr Nachhaltigkeit kommt von den Menschen bewusst selbst. Dann fühlt es sich für mich überzeugender an, was ich da gemacht hab. Wenn ich umgekehrt gesagt hätte, wir kochen nur noch vegetarisch, dann erreicht man bei Kindern und Jugendlichen gerade das Gegenteil. Wenn ich es jedoch vorlebe, auf Fleisch verzichte und mehr Gemüse esse, dann hat man eher einen Erfolg. So war es zumindest bei uns.
Welche Vorteile siehst Du in einem klimafreundlichen Lebensstil?
Man lebt viel bewusster.
Würdest Du sagen es gibt auch Nachteile, die mit einem klimafreundlichen Leben einhergehen?
Nee…wenn ich jetzt gerne die ganze Welt bereist hätte, dann würde ich das wahrscheinlich anders sehen. Wir sind auch schon Mal geflogen, so ist es nicht. Man überlegt sich das nun genau und spendet anschließend bei atmosfair, um das schlechte Gewissen zu beruhigen 😉.
„Ich möchte erhalten, ich möchte nicht zerstören und es wird mir immer deutlicher, wo ich unserer Umwelt gegenüber unfair unterwegs bin“
Was sagen Arbeitskollegen, Freunde oder die Familie zu Deinem Lebensstil?
Es ist kein Thema, weil ich nicht empfinde, als würde ich viel tun. Aber unter den Arbeitskollegen habe ich viel Gleichgesinnte, einige leben sehr bewusst und versuchen klimafreundlicher zu handeln.
Meine Eltern kaufen auch nur auf dem Markt ein, sind viel mit dem Rad unterwegs. Was ihren ökologischen Fußabdruck angeht, stehen sie wahrscheinlich noch besser da als ich. Deshalb würde ich auch nicht sagen, dass ich jemanden nachhaltig beeinflusst hätte, außer den eigenen Kindern.
Hast Du das Gefühl, Du kannst etwas zu einem Wandel beitragen? Oder denkst Du es ist quatsch?
Nein, das denk ich nicht. Der nette Nebeneffekt von Corona war, auf den Straßen keine Autos mehr zu sehen „das war so wow!!“, ich dachte, da müsste man doch jetzt irgendwie anknüpfen. Oder wenn ich einkaufen gehe und ich schaue in die Wägen vor mir, da befürchte ich manchmal, dass ich nur eine von wenigen bin. Aber im Prinzip, denke ich, dass jeder Einzelne wichtig ist. Auch wenn man „nur“ seine Kinder mit ins Boot holt, und die holen wiederrum andere ins Boot. Ich glaube schon, dass man einen kleinen Einfluss haben kann – wie ein Schneeballeffekt.
„Es ist mir lieber, diese Entscheidung hin zu mehr Nachhaltigkeit kommt von den Menschen bewusst selbst.“
Was würdest Du für Alltagstipps geben, wenn sich eine Person klimafreundlicher verhalten möchte?
Was wir immer häufiger machen sind Kleidertauschparties. Wir tun uns zusammen, wir bringen mit, was wir nicht mehr tragen und tauschen die Kleider aus. Ich hab super viele Kleider die ich von anderen getauscht oder geschenkt bekommen hab. Es hat den guten Nebeneffekt, dass ich kein Geld ausgeben muss! Und ich muss nicht lange suchen, die Leute haben meistens einen sehr coolen Geschmack. Dadurch muss nichts Neues hergestellt werden und es macht auch noch Spaß. Ich mach das oft im Rahmen von meinem Geburtstag, dann frag ich meine Freunde und Arbeitskolleginnen, ob sie ihre Kleider mitbringen, die sie nicht mehr tragen. Das ist z.B. ein Umwelt-Aspekt.
„Man lebt viel bewusster“
Ich achte sehr darauf weniger Kleider oder gebrauchte Kleider zu kaufen, wie bei Kleiderkreisel. Grundsätzlich schaue ich, dass die Kleider fair hergestellt wurden. Es greift auch alles ineinander über Klima, Umweltschutz und Fairness.
Ja, Klimafragen sind grundsätzlich auch immer Gerechtigkeitsfragen. Denn wir hinterlassen die Welt unseren Nachkommen oder beeinflussen andere Menschen auf anderen Teilen dieser Erde durch unser Handeln.
Beim Essen – einfach mal ausprobieren andere Gerichte ohne Fleisch zu essen z.B. mit Hilfe der vegetarischen Kochhefte (Köstlich vegetarisch), man merkt schnell, da fehlt einem nichts.
„Ich hab super viele Kleider die ich von anderen getauscht oder geschenkt bekommen hab, dadurch muss nichts Neues hergestellt werden und es macht Spaß.“
Was würdest Du Dir für den Leimener Klimaschutz wünschen?
Grundsätzlich würde ich mir wünschen – gilt jetzt nicht nur für Leimen – dass mehr für den öffentlichen Verkehr getan wird. Meine Vision ist es, dass der öffentliche Nahverkehr kostenlos nutzbar wäre und sich mehr Menschen dadurch entschließen das Auto stehen zu lassen.
Was müsste passieren, damit Du auf den öffentlichen Verkehr umsteigst?
Manchmal tue ich das auch, weil ich nicht so gerne Auto fahre und die Parkplatzsituation immer wieder anstrengend ist, deswegen hätte ich nichts dagegen, wenn Innenstädte autofrei gemacht würden. Zuletzt hatte ich einen Termin in Ludwigshafen, die Verkehrslage auf der Straße ist dort schwierig, deshalb bin ich mit der Bahn gefahren. Hin und zurück hab ich dafür 25 Euro bezahlt, das find ich viel. Mein Zug verspätete sich um eine halbe Stunde und ich verpasste fast meinen Termin. Sowas bremst einen bei der nächsten Überlegung, die Bahn zu nehmen. Wenn es kostengünstiger wäre und die Autofahrer zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs gezwungen werden würden – zum Beispiel durch weniger Parkplätze – das fände ich eine gute Kombi. Es gibt ja auch Städte – gerade von den skandinavischen hört man das häufiger – die zeigen, dass es möglich ist, eine Fahrradstadt zu etablieren. Das wäre ein Traum! Dafür dürfte die Autolobby bei uns nicht mehr so mächtig sein.
Bei Eis und Schnee werden in Kopenhagen die Fahrradwege noch teilweise vor den Straßen für den Autoverkehr geräumt….
In manchen Ländern sind auch die Straßen aufgeteilt, zur einen Hälfte als Fahrradweg und die andere Hälfte für Autos, bei uns hingegen sind viele Fahrradwege echt gefährlich eng. Das könnte in Leimen auch noch ausgebaut werden: Fahrradwege. Hinten bei den Weinbergen wurde schon der Fahrradweg nach Heidelberg ausgebaut. Für ältere Menschen ist das wahrscheinlich zu steil. Aber immerhin gibt es dadurch jetzt die Möglichkeit unten oder oben lang zu fahren, das ist schon ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung.
Stell Dir vor es gäbe keinen politischen Apparat, sondern nur eine Klimafee, was würdest Du Dir wünschen?
Insgesamt würde ich mir wünschen, dass keine schädlichen Emissionen von den Verkehrsmitteln mehr ausgehen würden.
„Wenn der ÖPNV kostengünstiger wäre und die Autofahrer ein bisschen mehr zur Nutzung dessen gezwungen werden würden – zum Beispiel durch weniger Parkplätze – das fände ich eine gute Kombi. Dafür dürfte die Autolobby bei uns nicht mehr so mächtig sein“
1. Bild: Sigi und ihre Kinder von Sigi Blaser privat
2. Bild: Sigi und Dünya beim Interview von Dünya Yasavul-Bonk
2 thoughts on “Wie überzeuge ich meine Familie von einem nachhaltigen Lebensstil?”