Interviewte: Paula Leibe; Ort: Leimen
Was genau tust Du fürs Klima?
Neben meinem nachhaltigen Lebensstil spielt mein ökologisches Engagement eine wichtige Rolle in meinem Leben. Um politischen Druck auszuüben engagiere ich mich bei Extinction Rebellion (XR), bin Mitglied beim ADFC und dem NABU, zudem habe ich bei Slow Food Stuttgart mitgewirkt. Im Laufe meines Engagements ist es mir immer wichtiger geworden, dass ich mich auch beruflich mit Nachhaltigkeit beschäftigen kann. Ich habe Ernährungswissenschaft studiert und mich insbesondere auf die Schnittstelle von Ernährung und Landwirtschaft spezialisiert. Deshalb bin ich momentan auf der Suche nach einem Job, in dem ich etwas am Ernährungssystem verbessern kann.
Seit wann engagierst Du Dich fürs Klima?
Die Begeisterung und den Drang etwas fürs Klima zu tun, kam mit der Zeit – es war ein Prozess. Auch meinen Eltern war bzw. ist ein klimafreundlicher Lebensstil wichtig, meine Mama arbeitet im Bioladen und mein Papa war immer schon sehr aufs Stromsparen bedacht, dadurch bekam ich auch schon früh einen kleinen Ökoruf (lacht).
Später kamen auch Praktika in dem Bereich hinzu, wie z.B. bei NAHhaft und Bioland.
“Die Begeisterung und den Drang etwas fürs Klima zu tun, kam mit der Zeit – es war ein Prozess“
Was ist Deine Motivation?
In erster Linie waren die ganzen Informationen, die ich von allen Seiten bekommen habe, ausschlaggebend und damit verbunden auch mein Verantwortungsgefühl. In dem Zusammenhang habe ich mich auch mit Umweltpsychologie beschäftigt, da ich mich gefragt habe, wie es sein kann, dass so viele Menschen die schrecklichen Informationen über den Zustand unserer Erde hören oder lesen und trotzdem diesen Umstand beim eigenen Handeln einfach ignorieren.
Das Schlüsselwort hierbei ist kognitive Dissonanz: Erhält der Mensch Informationen, die ihm nicht behagen wie z.B. das Klima auf unserem Planeten erwärmt sich immer schneller, deshalb sollte ich etwas dagegen tun (z.B. weniger Fleisch essen), dann passt er entweder seine Moral oder sein Handeln an. Diese Anpassung geschieht, um den unbehaglichen Gefühlszustand (kognitive Dissonanz), der damit einhergeht, auszugleichen. Die meisten Menschen passen ihre Moral an, ignorieren das Klima und führen ihr Leben weiter wie bisher. Ich habe mich für die Anpassung meines Handelns entschieden.
“Ich habe mich für die Anpassung meines Handelns entschieden“
Ein großer weiterer Motivator für mich sind die anderen Menschen, die sich auch fürs Klima einsetzen. Gerade auch durch das Engagement, habe ich viele Menschen kennen gelernt, die sich ebenfalls fürs Klima einsetzen und wenn ich sehe, dass mein Engagement etwas bringt und sich was ändert, das ist super motivierend! Auch den Zustand unserer Erde auf anderen Kontinenten zu sehen, ist ein Motivator, ich war früher einmal in Panama und wie viel Müll dort überall rumlag, das war unglaublich.
Zudem ist es auch sehr motivierend, wenn Menschen zu mir kommen und mir erzählen, dass ich sie – durch ein Gespräch mit ihnen oder durch meinen Lebensstil – dazu inspiriert habe auch etwas zu ändern. Du weißt nie, bei wem und mit was Du einen ersten kleinen Samen pflanzt.
„Du weißt nie, bei wem und mit was du einen ersten kleinen Samen pflanzt“

Warum fühlst Du Dich verantwortlich?
Ich reflektiere sehr viel für mich und find’s doof wenn andere sagen „was kann ich schon alleine ausrichten“ oder die Politik muss das machen. Denn unser Handeln ist verantwortlich und wir wählen, also tragen alle Menschen zum Klimawandel bei. Mein Lieblingszitat sagt es auch schon (hängt auch an ihrer Badtür): „Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn retten wird“ (Robert Swan). Wenn nicht irgendjemand anfängt, dann macht es doch niemand.
Gab es auch Hürden im Laufe des nachhaltigen Prozesses?
Viele denken jetzt wahrscheinlich erstmal an Verzicht, das sehe ich aber zum Beispiel gar nicht so, es macht mir auch unglaublich viel Spaß. Ich habe sehr viele Menschen kennen gelernt, z.B. bei Straßenblockaden, man sitzt nicht nur im Regen (Paula lacht).
Eine Hürde ist die Frustration, die ich verspüre, wenn ich sehe und merke, dass andere Menschen den Klimawandel total ignorieren, oder wenn in der Politik wieder ein Klimapaket verabschiedet wird, was eigentlich ein mini Brief ist.
Grundsätzlich versuche ich jedoch, mich von negativen Nachrichten fernzuhalten, da ich diese Informationen bereits habe, wenn ich doch etwas in die Richtung höre, dann wandele ich es in Motivation um.
“Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn retten wird.” – Robert Swan. Wenn nicht irgendjemand anfängt, dann macht es doch niemand?!
Frustrierender ist es eigentlich, wenn ich im Privatbereich mit Menschen konfrontiert bin, die komplett anders denken. Manchmal habe ich das Gefühl, ich verbaue mir etwas, wenn ich dann nicht mehr sozial kompatibel bin, da ich für viele Leute zu hohe Ansprüche an meine Mitmenschen und die Umwelt habe. Besonders schwierig ist es auch bei alten Freunden, möchte ich sie bekehren? Wie gehe ich mit deren Meinung um? Das ist auch problematisch.
Hast Du hier für Dich Konsequenzen daraus gezogen?
Ja, neue Freunde suche ich mir wählerischer bzw. kritischer aus, ansonsten bin ich noch total in diesem Prozess drin. Ich habe das Glück, dass auch mein Freund sehr nachhaltig lebt und hohe ökologische Werte vertritt, hier unterstützen wir uns gegenseitig. Beispielsweise habe ich mich früher eher auf das Alltägliche – also Lebensmittel, Kleidung – konzentriert und er war noch viel mehr hinter den systemischen Änderungen her, wie z.B. der Wechsel zu einer nachhaltigen Bank. Dadurch hat er auch noch mehr die politische Seite in mir geweckt.
Was hat sich seitdem in Deinem Leben verändert? Oder welche Vorteile siehst Du persönlich in Deiner Entscheidung?
Mein Leben ändert sich andauernd, aber das ist das Leben ja auch: Bewegung. Ich habe andere Freunde, die sehr vorwärts gewandt sind. Manchmal habe ich das Gefühl, in einer Ökoblase zu leben, was jedoch psychisch auch sehr unterstützend wirkt, denn diese Menschen inspirieren mich und geben mir Kraft und Motivation.
„Mein Leben verändert sich andauernd, aber das ist das Leben ja auch: Bewegung“
Zudem lebe ich viel suffizienter, ich experimentiere viel, zum Beispiel habe ich jetzt eine Wurmkiste. Ich mag es sehr, immer zu schauen, was ich noch verbessern kann.
Gibt es auch Nachteile Deines klimafreundlichen Lebensstils?
…puh (die längste Pause bisher). Nachteile – man wird manchmal nass (lacht)! Weil ich alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledige. Eigentlich sehe ich keine Nachteile eines klimafreundlichen Lebensstils, nur Vorteile. Ich bin offen und zukunftsgewandt und sehe mich deshalb im Vorteil, sollte uns eines Tages das Autofahren verboten werden, bin ich nicht im Nachteil, da ich vorher auch keines besessen habe.
„Nachteile – man wird manchmal nass (lacht)!“
Was würdest Du Anderen raten, die sich mit klimaschädlichen Menschen auseinandersetzen müssen bzw. wollen?
Ich versuche sie nicht mehr aktiv zu einem anderen Leben zu überreden, sondern ein Vorbild zu sein und passiv zu beeinflussen, durch z. B. Profilbilder, oder einen Post, dann kommen manchmal die Menschen auch von sich aus auf mich zu und fragen „was kann ich tun, um weniger Fleisch zu essen?“.
„Ich versuche jeden Tag ein bisschen mehr fürs Klima zu machen“

Hast Du ein paar Alltagstipps für ein klimafreundlicheres Leben?
• Wenn es möglich ist, das Auto stehen lassen, aufs Fahrrad umsteigen, spart Geld, CO₂ und ist gut für die Gesundheit
• Vegetarische, vegane Ernährungsweise,
• regional/saisonal einkaufen gehen,
• eigene Umgebung inspizieren, muss es immer exotisch im Urlaub sein?
• wählen gehen,
• Müll aufsammeln, Müll trennen,
• sich mit der Natur befassen.
Wo kann ich anfangen? Wie komme ich ins Handeln?
Einfach mal ausprobieren. Zum Beispiel: einmal das Auto stehen lassen und die Strecke mit dem Fahrrad zurücklegen. Meine Mama hatte sich ein Elektro-Fahrrad gekauft und ist dann trotzdem jeden Tag mit dem Auto gefahren. Irgendwann habe ich ihr angeboten mit ihr gemeinsam die Arbeitsstrecke mit dem Fahrrad zu fahren. Das haben wir gemacht und jetzt fährt sie immer mit dem Rad.
Wenn Du das Gefühl hast, Du kannst aktiv nichts zum Klimawandel beitragen, weil Du keine Zeit hast, dann spende Dein Geld in Vereine, Initiativen oder Organisationen, die sich für eine klimafreundlichere Welt einsetzen.
Würdest Du sagen wir müssen an unsere Gewohnheiten ran?
Auf jeden Fall, das ist ganz wichtig, z.B. wurde in der Umweltpsychologie herausgefunden, dass ein Umzug ein optimaler Zeitpunkt ist, um Gewohnheiten – auch klimaschädliche – zu ändern und sich gute, klimfreundliche Gewohnheiten anzugewöhnen.
“ein Umzug ist ein optimaler Zeitpunkt, um Gewohnheiten – auch klimaschädliche – zu ändern und sich gute klimafreundliche Gewohnheiten anzugewöhnen“
Stell Dir vor, es gibt keinen politischen Apparat, sondern nur eine Klimafee, was würdest Du Dir wünschen?
Ich wünsche mir, dass wir das Klimaziel von 1,5 °C erreichen, dass wir von fossilen Brennstoffen wegkommen, dass wir weniger Müll produzieren und vor allem, dass die Menschen endlich aufwachen und selber handeln. Unser Ökosystem ist so faszinierend, der Kreislaufgedanke, dass es langfristig funktionieren kann. Schön wäre, wenn wir Menschen sehen und verstehen würden, dass wir einander brauchen.
„…vor allem, dass die Menschen endlich aufwachen und selber handeln. Unser Ökosystem ist so faszinierend, der Kreislaufgedanke, dass es langfristig funktionieren kann. Schön wäre, wenn wir Menschen sehen und verstehen würden, dass wir einander brauchen“
1. Bild: Paula von Dünya Yasavul-Bonk
2. Bild: Paula von Dünya Yasavul-Bonk
3. Bild: Demonstration von Markus Spiske (pexels)
Super Paula, weiter so. Toll finde ich, dass du bei negativen Erfahrungen nicht einfach in den allgemeinen Kanon des Meckerns mit einstimmst, sonder, dass du in der Lage bist daraus Motivation zu schöpfen. Du bist ein echtes Vorbild.